E.M. Remarque
einen
Strauß Blumen zu schicken. Zwar bringt mir so etwas gewöhnlich nur Unglück,
aber ich weiß nun einmal nichts anderes. Eine Zeitlang stehe ich noch am
Fenster und sehe hinaus in die Nacht und beginne dann etwas beschämt und sehr
leise, Worte und Sätze zu flüstern, die ich gerne einmal jemandem sagen möchte,
aber für die ich niemanden habe, außer vielleicht Isabelle – doch die weiß ja
nicht einmal, wer ich überhaupt bin. Doch wer weiß das schon von irgend jemand?
XIII
Der Reisende Oskar
Fuchs, genannt Tränen-Oskar, sitzt im Büro. «Was gibt es, Herr Fuchs?» frage
ich. «Wie steht es mit der Grippe in den Dörfern?»
«Ziemlich
harmlos. Die Bauern sind gut im Futter. In der Stadt ist es anders. Ich habe
zwei Fälle, wo Hollmann und Klotz vor dem Abschluß stehen. Ein roter Granit,
einseitig poliert, Hügelstein, zwei bossierte Sockel, ein Meter fünfzig hoch,
zwei Millionen zweihunderttausend Mark – ein kleiner, einszehn hoch, eine
Million dreihunderttausend Eier. Gute Preise. Wenn Sie hunderttausend weniger
verlangen, haben Sie sie. Meine Provision ist zwanzig Prozent.»
«Fünfzehn»,
erwidere ich automatisch.
«Zwanzig»,
erklärt Tränen-Oskar. «Fünfzehn kriege ich bei Hollmann und Klotz auch. Wozu da
der Verrat?»
Er
lügt. Hollmann und Klotz, deren Reisender er ist, zahlen ihm zehn Prozent und Spesen.
Die Spesen bekommt er ohnehin; er macht also bei uns ein Geschäft von zehn
Prozent extra.
«Barzahlung?»
«Das
müssen Sie selbst sehen. Die Leute sind gut situiert.»
«Herr
Fuchs», sage ich. «Warum kommen Sie nicht ganz zu uns? Wir zahlen besser als Hollmann
und Klotz und können einen erstklassigen Reisenden brauchen.»
Fuchs
zwinkert. «Es macht mir so mehr Spaß. Ich bin ein gefühlsmäßiger Mensch. Wenn
ich mich über den alten Hollmann ärgere, schiebe ich Ihnen einen Abschluß zu,
als Rache. Wenn ich ganz für Sie arbeitete, würde ich mich über Sie ärgern.»
«Da
ist was dran», sage ich.
«Das
meine ich. Ich würde dann Sie an Hollmann und Klotz verraten. Reisen in
Grabsteinen ist langweilig; man muß es etwas beleben.»
«Langweilig?
Für Sie? Wo Sie doch jedesmal eine artistische Vorstellung geben?»
Fuchs
lächelt wie Gaston Münch im Stadttheater, nachdem er den Karl-Heinz in
«Alt-Heidelberg» gespielt hat.
«Man
tut, was man kann», erklärt er mit tobender Bescheidenheit.
«Sie
sollen sich großartig entwickelt haben. Ohne Hilfsmittel. Rein intuitiv. Stimmt
das?»
Oskar,
der früher mit rohen Zwiebelscheiben gearbeitet hat, bevor er die Trauerhäuser
betrat, behauptet jetzt, die Tränen frei wie ein großer Schauspieler erzeugen
zu können. Das ist natürlich ein riesiger Fortschritt. Er braucht so nicht
weinend das Haus zu betreten, wie bei der Zwiebeltechnik, wo dann, wenn das
Geschäft länger dauert, die Tränen versiegen, weil er ja die Zwiebel nicht
anwenden kann, solange die Trauernden dabeisitzen – im Gegenteil, er kann jetzt
trockenen Auges hineingehen und während des Gespräches über den Abgeschiedenen
in natürliche Tränen ausbrechen, was selbstverständlich von ganz anderer
Wirkung ist. Es ist ein Unterschied wie zwischen echten und künstlichen Perlen.
Oskar behauptet, so überzeugend zu sein, daß er sogar oft von den
Hinterbliebenen getröstet und gelabt wird.
Georg
Kroll kommt aus seiner Bude. Eine Fehlfarben-Havanna dampft unter seiner Nase,
und er ist die Zufriedenheit selbst. Geradewegs geht er aufs Ziel los.
«Herr
Fuchs», sagt er. «Ist es wahr, daß Sie auf Befehl weinen können, oder ist das
eine niederträchtige Schreckpropaganda unserer Konkurrenz?»
Statt
einer Antwort starrt Oskar ihn an. «Nun?» fragt Georg. «Was ist? Fühlen Sie
sich nicht gut?»
«Einen
Augenblick! Ich muß erst in Stimmung kommen.»
Weitere Kostenlose Bücher