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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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ein. Der Sekt schäumt, Wil­lys Haar
leuch­tet, und sein Ge­sicht strahlt. Er starrt auf Schim­mel, un­se­ren Di­rek­tor,
und Schim­mel starrt wie hyp­no­ti­siert zu­rück.
    «Es
funk­tio­niert», flüs­tert Wil­ly. «Ich dach­te schon, er wür­de uns igno­rie­ren.»
    «Er
ist ein lei­den­schaft­li­cher Schul­mann», ant­wor­te ich.
    «Er
kann uns nicht igno­rie­ren. Für ihn blei­ben wir Schü­ler, auch wenn wir sech­zig
sind. Sieh nur, wie sei­ne Na­se ar­bei­tet!»
    «Be­nehmt
euch nicht wie Zwölf­jäh­ri­ge», sagt Renée.
    «Warum
nicht?» fragt Wil­ly. «Äl­ter wer­den kön­nen wir im­mer noch.»
    Renée
hebt re­si­gniert die Hän­de mit dem Ame­thystring.
    «Und
so was hat das Va­ter­land ver­tei­digt!»
    «Hat
ge­glaubt, das Va­ter­land zu ver­tei­di­gen», sa­ge ich. «Bis es her­aus­fand, daß es
nur den Teil des Va­ter­lan­des ver­tei­dig­te, der gern zum Teu­fel ge­hen konn­te –
dar­un­ter den na­tio­na­lis­ti­schen Schweins­kopf da drü­ben.»
    Renée
lacht. «Ihr habt das Land der Dich­ter und Den­ker ver­tei­digt, ver­geßt das
nicht.»
    «Das
Land der Dich­ter und Den­ker braucht nie ver­tei­digt zu wer­den – höchs­tens ge­gen
den Schweins­kopf drü­ben und sei­nes­glei­chen, die Dich­ter und Den­ker ins
Ge­fäng­nis sper­ren, so­lan­ge sie le­ben, und mit ih­nen, wenn sie tot sind, Re­kla­me
für sich ma­chen.»
    Ger­da
reckt den Kopf. «Heu­te wird scharf ge­schos­sen, was?»
    Sie
stößt mich wie­der un­ter dem Tisch an. Ich klet­te­re vom Red­ner­pult her­un­ter und
sit­ze so­fort aufs neue in der Schau­kel, die über die Er­de hin­weg­fliegt. Der
Spei­se­saal ist ein Teil des Kos­mos, und selbst Eduard, der den Sekt säuft wie
Was­ser, um die Ze­che zu er­hö­hen, hat einen stau­bi­gen Hei­li­gen­schein um sei­nen
Kopf.
    «Kommst
du nach­her mit?» flüs­tert Ger­da.
    Ich
ni­cke.
    «Er
kommt!» wis­pert Wil­ly ent­zückt. «Ich wuß­te es!»
    Das
War­zen­schwein hat es nicht aus­ge­hal­ten. Es hat sich hoch­ge­wuch­tet und nä­hert
sich zwin­kernd un­se­rem Tisch. «Hoh­mey­er, nicht wahr?» sagt es.
    Wil­ly
sitzt jetzt. Er steht nicht auf. «Bit­te?» fragt er.
    Schim­mel
ist be­reits ir­ri­tiert. «Sie sind doch der frü­he­re Schü­ler Hoh­mey­er!»
    Wil­ly
stellt die Fla­sche vor­sich­tig hin. «Ver­zei­hen Sie, Ba­ro­nin», sagt er zu Renée.
«Ich glau­be, der Mann dort meint mich.» Er wen­det sich zu Schim­mel. «Wo­mit kann
ich Ih­nen die­nen? Was möch­ten Sie, mein gu­ter Mann?» Schim­mel ist einen
Au­gen­blick per­plex. Er hat wohl selbst nicht ge­nau ge­wußt, was er sa­gen woll­te.
Schlich­te, über­quel­len­de Em­pö­rung hat den bie­de­ren Schul­fuchs an un­se­ren Tisch
ge­schwemmt.
    «Ein
Glas Cham­pa­gner?» frag­te Wil­ly zu­vor­kom­mend. «Auch mal kos­ten, wie die an­de­re
Hälf­te lebt?»
    «Was
fällt Ih­nen ein? Ich bin kein Wüst­ling!»
    «Scha­de»,
er­klärt Wil­ly. «Aber was wol­len Sie wirk­lich hier? Sie stö­ren, se­hen Sie das
nicht?»
    Schim­mel
schießt einen Wut­blick auf ihn ab. «Ist es ab­so­lut nö­tig», krächzt er, «daß
ehe­ma­li­ge Schü­ler mei­nes Gym­na­si­ums am hel­lich­ten Ta­ge Or­gi­en fei­ern?»
    «Or­gi­en?»
Wil­ly sieht ihn er­staunt an. «Ent­schul­di­gen Sie noch­mals, Ba­ro­nin», sagt er
dann zu Renée. «Die­ser ma­nie­ren­lo­se Mann – ein Herr Schim­mel üb­ri­gens, jetzt
er­ken­ne ich ihn» – stellt er gra­zi­ös vor – «die Ba­ro­nin de la Tour» – Renée
neigt huld­voll das Lo­cken­haupt – «glaubt, wir fei­ern ei­ne Or­gie, weil wir an
Ih­rem Ge­burts­tag ein Glas Sekt trin­ken ...»
    Schim­mel
ist, so­weit es bei ihm mög­lich ist, et­was ver­wirrt. «Ge­burts­tag?» knarrt er.
«Nun ja – im­mer­hin, dies ist ei­ne klei­ne Stadt – als ehe­ma­li­ge Schü­ler könn­ten
Sie ...»
    Es
sieht aus, als wol­le er uns ei­ne wi­der­wil­li­ge Ab­so­lu­ti­on er­tei­len. Die Ba­ro­nin
de la Tour hat auf den al­ten Kas­tenan­be­ter ih­re Wir­kung nicht ver­fehlt. Wil­ly
greift ei­lig ein. «Als ehe­ma­li­ger Schü­ler von Ih­nen soll­ten wir schon mor­gens
einen Schnaps oder zwei zum Kaf­fee neh­men», er­klärt er, «da­mit wir end­lich
ein­mal wis­sen, was das Wort Freu­de be­deu­tet.

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