E.M. Remarque
nicht recht?» fragt Gerda.
«Recht?
Was hat Recht damit zu tun?»
Gerda
lacht wieder. «Ich glaube, du bist wirklich eingeschnappt. Was für ein Kind du
noch bist!»
«Darin
möchte ich auch ganz gerne eins bleiben», sage ich. «Sonst ...»
«Sonst?»
fragt Gerda.
«Sonst
...» Ich überlege. Mir ist nicht ganz klar, was ich meine, aber ich versuche es
trotzdem. «Sonst käme ich mir wie ein halber Zuhälter vor.»
Gerda
lacht jetzt schallend. «Dazu fehlt dir aber noch vieles mein Kleiner.»
«Ich
hoffe, das bleibt auch so.»
Gerda
wendet mir ihr Gesicht zu. Ihr beschlagenes Glas steht zwischen ihren Brüsten.
Sie hält es mit einer Hand fest und genießt die Kälte auf ihrer Brust. «Mein
armer Kleiner», sagt sie immer noch lachend, mit fatalem, halb mütterlichem
Mitleid. «Du wirst noch oft betrogen werden!»
Verflucht,
denke ich, wo ist der Friede des tropischen Eilands geblieben? Ich komme mir
auf einmal vor, als wäre ich nackt und würde von Affen mit stacheligen Kakteen
beworfen. Wer hört schon gerne, daß er ein zukünftiger Hahnrei ist? «Das werden
wir sehen», sage ich.
«Meinst
du, es sei so einfach, ein Zuhälter zu sein?»
«Das
weiß ich nicht. Aber es ist sicher nichts besonders Ehrenhaftes darin.»
Gerda
explodiert mit einem kurzen, scharfen Zischen.
«Ehre»,
japst sie. «Was noch? Sind wir beim Militär? Wir sprechen von Frauen. Mein
armer Kleiner, Ehre ist da sehr langweilig.»
Sie
nimmt wieder einen Schluck Bier. Ich sehe zu, wie es durch ihre gewölbte Kehle
rinnt. Wenn sie mich noch einmal armer Kleiner nennt, werde ich ihr wortlos
meine Flasche über den Kopf gießen, um ihr zu beweisen, daß ich auch wie ein
Zuhälter handeln kann – oder wenigstens so, wie ich mir vorstelle, daß er
handeln würde.
«Ein
schönes Gespräch», sage ich. «Gerade jetzt.»
Ich
scheine versteckte humoristische Eigenschaften zu haben. Gerda lacht wieder.
«Ein Gespräch ist wie das andere», sagt sie. «Wenn man so nebeneinander liegt,
ist es doch egal, wovon man spricht. Oder gibt es da auch Gesetze, mein ...»
Ich
greife nach der Bierflasche und warte auf den armen Kleinen; aber Gerda hat einen
sechsten Sinn – sie nimmt einen neuen Schluck und schweigt.
«Wir
brauchten vielleicht nicht gerade von Pelzmänteln, Zuhältern und Hahnreis zu
reden», sage ich. «Es gibt in solchen Augenblicken doch auch noch andere
Themen.»
«Klar»,
stimmt Gerda zu. «Aber wir reden doch auch gar nicht davon.» – «Wovon?»
«Von
Pelzmänteln, Zuhältern und Hahnreis.»
«Nein?
Wovon reden wir denn?»
Gerda
beginnt wieder zu lachen. «Von der Liebe, mein Süßer. So, wie vernünftige
Menschen davon reden. Was möchtest du denn? Gedichte aufsagen?»
Ich
greife, schwer getroffen, nach der Bierflasche. Bevor ich sie heben kann, hat
Gerda mich geküßt. Es ist ein nasser Bierkuß, aber ein so strahlend gesunder,
daß die Tropeninsel einen Augenblick wieder da ist. Eingeborene trinken ja auch
Bier.
«Weißt
du, das habe ich gern an dir», erklärt Gerda. «Daß du ein so vorurteilsvolles
Schaf bist! Wo hast du nur all diesen Unsinn gelernt? Du gehst an die Liebe
heran wie ein bewaffneter Korpsstudent, der glaubt, es ginge zum Duell anstatt
zum Tanz.» Sie schüttelt sich vor Lachen. «Du Knalldeutscher!» sagt sie
zärtlich.
«Ist
das wieder eine Beleidigung?» frage ich.
«Nein,
eine Feststellung. Nur Idioten glauben, daß eine Nation besser sei als die
andere.»
«Bist
du keine Knalldeutsche?»
«Ich
habe eine tschechische Mutter; das erleichtert mein Los etwas.»
Ich
sehe das nackte, unbekümmerte Geschöpf neben mir an und habe plötzlich das
Verlangen, zumindest eine oder zwei tschechische Großmütter zu haben. «Schatz»,
sagt Gerda. «Liebe kennt keine Würde. Aber ich fürchte, du kannst nicht einmal
pissen ohne Weltanschauung.»
Ich
greife
Weitere Kostenlose Bücher