E.M. Remarque
Stuhl. Einer
ist umgefallen. Das Fenster steht offen. Weinlaub hängt herein. Von unten, aus
dem Altstätter Hof, kommen gedämpft die Töne des elektrischen Klaviers. Es
spielt den Walzer «Die Schlittschuhläufer». Die Musik wird ab und zu von einem
dumpfen Fall unterbrochen; das sind die Ringkämpferinnen, die trainieren.
Neben
dem Bett stehen zwei eiskalte Flaschen Bier. Ich öffne sie und gebe eine Gerda.
«Woher bist du so braun?» frage ich.
«Von
der Sonne. Sie scheint schon seit Monaten. Hast du das nicht gemerkt?»
«Doch.
Aber im Büro kann man nicht braun werden.» Gerda lacht. «Wenn man im Nachtklub
arbeitet, ist es einfacher. Man hat tagsüber frei. Wo warst du all die Zeit?»
«Irgendwo»,
sage ich, und mir fällt ein, daß Isabelle mich auch immer so fragt. «Ich
dachte, du wärest mit Eduard.»
«Ist
das ein Grund, wegzubleiben?»
«Ist
es keiner?»
«Nein,
du Dummkopf», sagt Gerda. «Das sind zwei verschiedene Dinge.»
«Das
ist mir zu schwierig», erwidere ich.
Gerda
antwortet nicht. Sie streckt sich und nimmt einen Schluck Bier. Ich sehe mich
um. «Es ist schön hier», sage ich. «Als wären wir im Oberstock einer
Südseekneipe. Und du bist braun wie eine Eingeborene.»
«Bist
du dann der weiße Händler mit Kattun, Glasperlen, Bibeln und Schnaps?»
«Richtig»,
erwidere ich überrascht. «Genau das habe ich immer geträumt, als ich sechzehn
Jahre alt war.»
«Nachher
nicht mehr?»
«Nachher
nicht mehr.»
Ich
liege ruhig und entspannt neben ihr. Blau steht der späte Nachmittag im Fenster
zwischen den Dachfirsten. Ich denke an nichts, ich will nichts, und ich hüte
mich, irgend etwas zu fragen. Der Friede der gestillten Haut ist da, das Leben
ist einfach, die Zeit steht still, und wir sind in der Nähe irgendeines Gottes
und trinken kaltes, würziges Bier.
Gerda
gibt mir ihr Glas zurück. «Glaubst du, daß Renée ihren Pelzmantel kriegt?»
fragt sie träge.
«Warum
nicht? Willy ist jetzt Billionär.»
«Ich
hätte sie fragen sollen, was für einen sie haben will. Wahrscheinlich Bisam
oder Biber.»
«Fuchs»,
sage ich interesselos. «Oder Leopard meinetwegen.»
«Leopard
ist zu dünn für den Winter. Seal macht zu alt. Und Silberfuchs macht dick. Der
Traum ist natürlich Nerz.»
«So?»
«Ja.
Der ist fürs Leben. Aber mächtig teuer. Sündhaft teuer.»
Ich
stelle meine Flasche zu Boden. Das Gespräch beginnt etwas unbequem zu werden.
«Das geht über meinen Horizont», sage ich. «Ich kann nicht einmal einen
Kaninchenkragen bezahlen.»
«Du?»
erwidert Gerda überrascht. «Wer spricht denn von dir?»
«Ich.
Jeder Mann mit etwas Zartgefühl bezieht in einer Situation wie der unseren das
Gespräch auf sich. Und ich habe bedeutend zuviel Zartgefühl für ein Leben in
unserer Zeit.»
Gerda
lacht. «Hast du das, mein Kleiner? Aber ich rede wirklich nicht von dir.»
«Von
wem denn?»
«Von
Eduard. Von wem sonst?»
Ich
richte mich auf. «Du denkst daran, dir von Eduard einen Pelzmantel schenken zu
lassen?»
«Natürlich,
Schäfchen. Wenn ich ihn nur soweit kriegen könnte! Aber vielleicht, wenn Renée
einen kriegt – Männer sind so ...»
«Und
das erzählst du mir hier, während wir noch zusammen im Bett liegen?»
«Warum
nicht? Ich habe dann immer besonders gute Gedanken.»
Ich
erwidere nichts. Ich bin verblüfft. Gerda dreht ihren Kopf zu mir herüber.
«Bist du etwa beleidigt?»
«Ich
bin zumindest verdutzt.»
«Warum?
Du solltest nur beleidigt sein, wenn ich einen Mantel von dir haben wollte.»
«Soll
ich stolz drauf sein, wenn du ihn von Eduard haben willst?»
«Natürlich!
Das zeigt dir doch, daß du kein Freier bist.»
Ich
kenne den Ausdruck nicht. «Was sind Freier?» frage ich.
«Leute
mit Geld. Leute, die einem helfen können. Eduard.»
«Ist
Willy ein Freier?»
Gerda
lacht. «Ein halber. Für Renée.»
Ich
schweige und komme mir ziemlich dumm vor. «Habe ich
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