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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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ele­gan­ter.
Be­son­ders die ent­zücken­den Ei­dech­sen­schu­he, die du trägst. Ich lie­be sie je­des
Jahr mehr.»
    Ich
se­he un­ter den Tisch. Renée trägt tat­säch­lich Schu­he aus Ei­dech­sen­le­der. Wie
Ger­da das im Sit­zen se­hen konn­te, ge­hört zu den ewi­gen Rät­seln der Frau. Es ist
un­ver­ständ­lich, daß die­se Ga­ben des Ge­schlechts nie bes­ser prak­tisch aus­genützt
wor­den sind – zur Be­ob­ach­tung des Fein­des in Fes­sel­bal­lons bei der Ar­til­le­rie
oder für ähn­li­che kul­tu­rel­le Zwe­cke.
    Wil­ly
un­ter­bricht das Ge­plän­kel. Er ist ei­ne Vi­si­on in Hell­grau. An­zug, Hemd,
Kra­wat­te, Strümp­fe, Wild­le­der­hand­schu­he – und dar­über, wie ein Aus­bruch des
Ve­suvs, die ro­ten Haa­re. «Wein!» sagt er. «Die To­ten­grä­ber ze­chen! Sie
ver­sau­fen den Schmerz ei­ner Fa­mi­lie! Bin ich ein­ge­la­den?»
    «Wir
ha­ben un­se­ren Wein nicht an der Bör­se ver­dient, du Pa­ra­sit am Volks­ver­mö­gen»,
er­wi­de­re ich. «Trotz­dem wol­len wir ihn ger­ne mit Ma­de­moi­sel­le de la Tour
tei­len. Je­der Mensch, der Eduard er­schre­cken kann, ist uns will­kom­men.»
    Das
er­weckt einen Hei­ter­keits­aus­bruch bei Ger­da. Sie stößt mich er­neut un­ter dem
Tisch an. Ich füh­le, daß ihr Knie an mei­nem lie­gen bleibt. Wär­me steigt mir in
den Nacken. Wir sit­zen plötz­lich da wie Ver­schwö­rer.
    «Ihr
wer­det Eduard be­stimmt heu­te auch noch er­schre­cken», sagt Ger­da. «Wenn er mit
der Rech­nung kommt. Ich füh­le es. Ich ha­be das Zwei­te Ge­sicht.»
    Al­les,
was sie sagt, hat wie durch einen Zau­ber­schlag einen neu­en Klang. Was ist los?
den­ke ich. Steigt mir die Lie­be schau­dernd in die Schild­drü­se, oder ist es eher
die al­te Freu­de, ei­nem an­de­ren et­was ab­spens­tig zu ma­chen? Der Spei­se­saal ist
auf ein­mal nicht mehr ei­ne nach Es­sen rie­chen­de Bu­de – er ist et­was, das mit
un­ge­heu­rer Ge­schwin­dig­keit wie ei­ne Schau­kel durch das Uni­ver­sum fliegt. Ich
se­he aus dem Fens­ter und bin er­staunt, daß die Städ­ti­sche Spar­kas­se noch im­mer
an der­sel­ben Stel­le steht. Sie soll­te, auch oh­ne Ger­das Knie, oh­ne­hin längst
ver­schwun­den sein; weg­ge­wa­schen von der In­fla­ti­on. Aber Stein und Be­ton
über­dau­ern einen Hau­fen Men­schen­werk und Men­schen.
    «Ein
groß­ar­ti­ger Wein», sa­ge ich. «Wie der erst in fünf Jah­ren sein wird!»
    «Äl­ter»,
er­klärt Wil­ly, der nichts von Wein ver­steht. «Noch zwei Fla­schen, Eduard!»
    «Warum
zwei? Laß uns ei­ne nach der an­de­ren trin­ken.»
    «Gut!
Trinkt ihr eu­re! Mir, Eduard, so schnell wie mög­lich ei­ne Fla­sche Cham­pa­gner!»
    Eduard
schießt da­von wie ein ge­öl­ter Blitz. «Was ist los, Wil­ly?» fragt Renée.
«Glaubst du, du kommst um den Pelz­man­tel her­um, wenn du mich be­trun­ken machst?»
    «Du
be­kommst den Pelz­man­tel! Die­ses jetzt hier hat einen hö­he­ren Zweck.
Er­zie­he­risch! Siehst du ihn nicht, Lud­wig?»
    «Nein.
Ich trin­ke lie­ber Wein als Cham­pa­gner.»
    «Du
siehst ihn wirk­lich nicht? Drü­ben, drei Ti­sche hin­ter der Säu­le? Den bors­ti­gen
Schweins­kopf, die tücki­schen Hyä­nen­au­gen und die vor­ste­hen­de Hüh­ner­brust? Den
Mör­der un­se­rer Ju­gend?»
    Ich
su­che nach die­ser zoo­lo­gi­schen Merk­wür­dig­keit und ent­de­cke sie gleich dar­auf.
Es ist der Di­rek­tor un­se­res Gym­na­si­ums, äl­ter und rup­pi­ger ge­wor­den, aber er
ist es. Vor sie­ben Jah­ren noch hat er Wil­ly er­klärt, er wür­de am Gal­gen en­den,
und mir, le­bens­läng­li­ches Zucht­haus sei mir si­cher. Er hat uns auch be­merkt. Die
ro­ten Au­gen blin­zeln zu uns her­über, und ich weiß jetzt, warum Wil­ly den Sekt
be­stellt hat.
    «Laß
den Pfrop­fen knal­len, so laut es geht, Eduard!» be­fiehlt Wil­ly.
    «Das
ist nicht vor­nehm.»
    «Man
trinkt Sekt nicht, um vor­nehm zu sein; man trinkt ihn, um sich wich­tig zu
ma­chen.»
    Wil­ly
nimmt Eduard die Fla­sche aus der Hand und schüt­telt sie. Der Pfrop­fen knallt
wie ein Pis­to­len­schuß. Im Lo­kal ent­steht einen Au­gen­blick Schwei­gen. Der
bors­ti­ge Schweins­kopf reckt sich. Wil­ly steht in vol­ler Grö­ße am Tisch, die Fla­sche
in der Rech­ten, und schenkt Glas auf Glas

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