E.M. Remarque
glaubt, daß wir gelogen haben und erneut schmarotzen wollen.
«Wir haben Fräulein Schneider zum Essen eingeladen», sagt Georg. «Wir feiern
Ludwigs Konfirmation. Er reift langsam zum Manne heran. Nimmt nicht mehr an,
daß die Welt nur seinetwegen existiere.»
Georg
hat mehr Autorität als ich. Eduard erhellt sich wieder. «Es gibt köstliche
Hühnchen!» Er spitzt den Mund, als wollte er pfeifen.
«Bring
ruhig das normale Mittagessen», sage ich. «Bei dir ist immer alles vorzüglich.
Und dazu eine Flasche Schloß Reinhardtshausener 1921!»
Gerda
blickt auf. «Wein am Mittag? Habt ihr in der Lotterie gewonnen? Warum kommt ihr
dann nie mehr in die Rote Mühle?»
«Wir
haben nur ein kleines Los gewonnen», erwidere ich. «Trittst du denn da immer
noch auf?»
«Das
weißt du nicht? Schäme dich! Eduard weiß es. Ich habe allerdings vierzehn Tage
ausgesetzt. Aber am Ersten fange ich ein neues Engagement an.»
«Dann
kommen wir», erklärt Georg. «Und wenn wir ein Mausoleum beleihen müssen!»
«Deine
Freundin war gestern abend auch da», sagt Gerda zu mir.
«Erna?
Das ist nicht meine Freundin. Mit wem war sie da?»
Gerda
lacht. «Was geht es dich an, wenn sie nicht mehr deine Freundin ist?»
«Sehr
viel», erwidere ich. «Es dauert lange, bis man ausgezuckt hat, auch wenn es nur
noch mechanisch ist, wie bei Froschbeinen und dem galvanischen Strom. Erst wenn
man ganz getrennt ist, wird man wirklich interessiert an allem, was den anderen
angeht. Eines der Paradoxe der Liebe.»
«Du
denkst zu viel. Das ist immer schädlich.»
«Er
denkt nicht richtig», sagt Georg. «Sein Intellekt ist eine Bremse für seine
Emotionen – anstatt ein Vorspann zu sein.»
«Kinder,
seid ihr alle klug!» erklärt Gerda. «Kommt ihr dabei zwischendurch auch zu
etwas Spaß im Leben?»
Georg
und ich sehen uns an. Georg lacht. Ich bin betroffen. «Denken ist unser Spaß»,
sage ich und weiß, daß ich lüge.
«Ihr
armen Würmer! Dann eßt wenigstens ordentlich.»
Der
Reinhardtshausener hilft uns wieder heraus. Eduard öffnet ihn selbst und
verkostet ihn. Er markiert den Weinkenner, der probiert, ob der Wein korkig
sei. Dazu gießt er sich ein mittleres Glas voll ein. «Exzellent!» sagt er mit
französischem Auslaut und gurgelt und schlägt mit den Augenlidern.
«Echte
Weinkenner brauchen zum Probieren nur ein paar Tropfen», sage ich.
«Ich
nicht. Nicht bei so einem Wein. Ich möchte euch doch nur das Beste servieren!»
Wir
erwidern nichts; wir haben unseren Trumpf in Reserve. Wir werden das Essen für
Gerda und uns mit den unerschöpflichen Marken bezahlen.
Eduard
schenkt ein. «Wollt ihr mich nicht auch zu einem Gläschen einladen?» fragt er
frech.
«Nachher»,
erwidere ich. «Wir trinken mehr als eine Flasche. Beim Essen aber störst du, weil
du einem wie ein Bernhardiner die Bissen in den Mund zählst.»
«Nur,
wenn ihr als Parasiten mit euren Marken ankamt.» Eduard tänzelt um Gerda herum
wie ein Mittelschullehrer, der Walzer übt.
Gerda
unterdrückt einen Lachanfall. Ich habe sie unter dem Tisch angestoßen, und sie
hat sofort begriffen, was wir für Eduard in Reserve haben.
«Knobloch!»
brüllt plötzlich eine markige Kommandostimme.
Eduard
fährt hoch, als hätte er einen Tritt in den Hintern bekommen. Hinter ihm steht
diesmal, unschuldig lächelnd, Renée de la Tour selbst. Er unterdrückt einen
Fluch. «Daß ich auch immer wieder darauf reinfalle!»
«Ägere
dich nicht», sage ich. «Das ist dein treudeutsches Blut. Das edelste
Vermächtnis deiner gehorsamen Vorfahren.»
Die
Damen begrüßen sich wie lächelnde Kriminalpolizisten.
«Welch
hübsches Kleid, Gerda», gurrt Renée. «Schade, daß ich so etwas nicht tragen
kann! Ich bin zu dünn dazu.»
«Das
macht nichts», erwidert Gerda. «Ich fand die vorjährige Mode auch
Weitere Kostenlose Bücher