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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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fragt Rie­sen­feld zu­rück.
    Hein­rich
stutzt. «Ach so», sagt er dann lust­los. «Ein Witz. Ich wer­de Ge­org we­cken.»
    «Ich
wür­de das nicht tun», er­klä­re ich laut.
    «Ge­ben
Sie mir ge­fäl­ligst kei­ne Ratschlä­ge!»
    Hein­rich
nä­hert sich der Tür. Ich hal­te ihn nicht ab. Ge­org müß­te taub sein, wenn er
in­zwi­schen nicht ab­ge­schlos­sen hät­te. «Las­sen Sie ihn schla­fen», sagt
Rie­sen­feld. «Ich ha­be kei­ne Lust auf große Un­ter­hal­tun­gen so früh.»
    Hein­rich
hält in­ne. «Warum ma­chen Sie nicht einen Spa­zier­gang durch Got­tes freie Na­tur
mit Herrn Rie­sen­feld?» fra­ge ich. «Wenn Sie dann zu­rück­kom­men, ist der Haus­halt
auf­ge­wacht, Speck und Ei­er bro­deln in der Pfan­ne, Bröt­chen sind ex­tra für Sie
ge­ba­cken wor­den, ein Bu­kett frisch ge­pflück­ter Gla­dio­len ziert die düs­te­ren
Pa­ra­pher­na­li­en des To­des, und Ge­org ist da, ra­siert und nach Köl­nisch Was­ser
duf­tend.»
    «Gott
soll mich schüt­zen», mur­melt Rie­sen­feld. «Ich blei­be hier und schla­fe.»
    Ich
zu­cke rat­los die Ach­seln. Ich krie­ge ihn nicht aus der Bu­de. «Mei­net­we­gen»,
sa­ge ich. «Dann ge­he ich in­zwi­schen Gott lo­ben.»
    Rie­sen­feld
gähnt. «Ich wuß­te nicht, daß die Re­li­gi­on hier in so ho­hem An­se­hen steht. Sie
wer­fen ja mit Gott her­um wie mit Kie­sel­stei­nen.»
    «Das
ist das Elend! Wir sind al­le zu in­tim mit ihm ge­wor­den. Gott war im­mer der
Duz­bru­der al­ler Kai­ser, Ge­nerä­le und Po­li­ti­ker. Da­bei soll­ten wir uns fürch­ten,
sei­nen Na­men zu nen­nen. Aber ich ge­he nicht be­ten, nur Or­gel spie­len. Kom­men
Sie mit!»
    Rie­sen­feld
winkt ab. Ich kann jetzt nichts wei­ter mehr tun. Ge­org muß sich sel­ber hel­fen.
Ich kann nur noch ge­hen – viel­leicht ge­hen die an­dern bei­den dann auch. Um
Hein­rich ha­be ich kei­ne Sor­ge; Rie­sen­feld wird ihn schon los­wer­den.
    Die Stadt ist
tau­frisch. Ich ha­be noch über zwei Stun­den Zeit bis zur Mes­se. Lang­sam ge­he ich
durch die Stra­ßen. Es ist ein un­ge­wohn­tes Er­leb­nis. Der Wind ist mil­de und so
sanft, als wä­re der Dol­lar ges­tern um zwei­hun­dert­fünf­zig­tau­send Mark ge­fal­len
und nicht ge­stie­gen. Ei­ne Zeit­lang star­re ich in den fried­li­chen Fluß; dann in
das Schau­fens­ter der Fir­ma Bock und Söh­ne, die Senf pro­du­ziert und ihn in
Mi­nia­tur­fäß­chen aus­stellt.
    Ein
Schlag auf die Schul­ter weckt mich auf. Hin­ter mir steht mit ver­quol­le­nen Au­gen
ein lan­ger, dün­ner Mann. Es ist die Brun­nen­pest Her­bert Scherz. Ich bli­cke ihn
miß­ver­gnügt an. «Gu­ten Mor­gen oder gu­ten Abend?» fra­ge ich. «Sind Sie vor oder
nach dem Schlaf?»
    Her­bert
stößt ge­räusch­voll auf. Ei­ne schar­fe Wol­ke treibt mir fast die Trä­nen in die
Au­gen. «Gut; al­so noch vor dem Schlaf», sa­ge ich. «Schä­men Sie sich nicht? Was
war der Grund? Scherz, Ernst, Iro­nie oder ein­fa­che Ver­zweif­lung?»
    «Ein
Stif­tungs­fest», sagt Her­bert.
    Ich
ma­che un­gern Wit­ze mit Na­men; aber Her­bert tut man da­mit einen Ge­fal­len.
«Scherz bei­sei­te!» sa­ge ich.
    «Stif­tungs­fest»,
wie­der­holt Her­bert selbst­ge­fäl­lig. «Mein Ein­stand als neu­es Mit­glied in ei­nem
Ver­ein. Muß­te den Vor­stand frei­hal­ten.» Er sieht mich ei­ne Wei­le an und stößt
dann tri­um­phie­rend her­vor: «Schüt­zen­ver­ein Al­te Ka­me­ra­den! Ver­ste­hen Sie?»
    Ich
ver­ste­he. Her­bert Scherz ist ein Ver­eins­samm­ler. An­de­re Leu­te sam­meln
Brief­mar­ken oder Kriegsan­den­ken – Her­bert sam­melt Ver­ei­ne. Er ist be­reits
Mit­glied in über ei­nem Dut­zend – nicht weil er so­viel Un­ter­hal­tung braucht,
son­dern weil er ein lei­den­schaft­li­cher An­hän­ger des To­des und des da­bei
ge­zeig­ten Pomps ist. Er hat sich dar­auf ka­pri­ziert, ein­mal das pom­pö­ses­te
Be­gräb­nis der Stadt ha­ben zu wol­len. Da er nicht ge­nü­gend Geld da­für
hin­ter­las­sen kann und nie­mand sonst es be­zah­len wür­de, ist er auf die Idee
ge­kom­men, al­len mög­li­chen Ver­ei­nen bei­zu­tre­ten. Er weiß, daß Ver­ei­ne beim To­de
ei­nes Mit­glieds einen Kranz mit Schlei­fe stif­ten, und das ist sein ers­tes Ziel.
Au­ßer­dem aber geht

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