E.M. Remarque
immer auch eine Abordnung mit der Vereinsfahne hinter dem
Sarge her, und darauf vertraut er ebenfalls. Er hat ausgerechnet, daß er jetzt
schon durch seine Mitgliedschaft mit zwei Wagen Kränzen rechnen kann, und das
ist noch lange nicht das Ende. Er ist knapp sechzig und hat noch eine schöne
Zeit vor sich, anderen Vereinen beizutreten. Selbstverständlich ist er in Bodo
Ledderhoses Gesangverein, ohne je eine Note gesungen zu haben. Eivist dort
sympathisierendes, inaktives Mitglied, ebenso wie im Schachklub Springerheil,
im Kegelklub Alle Neune und im Aquarienklub und Terrarienverein Pterophyllum
scalare. In den Aquarienklub habe ich ihn hineingebracht, weil ich glaubte, er
würde dafür im voraus sein Denkmal bei uns bestellen. Er hat es nicht getan.
Jetzt also hat er es geschafft, auch in einen Schützenverein zu kommen.
«Waren
Sie denn je Soldat?» frage ich.
«Wozu?
Ich bin Mitglied, das genügt. Ein Hauptschlag, was? Wenn Schwarzkopf das erfährt,
wird er sich krümmen vor Wut.»
Schwarzkopf
ist Herberts Konkurrent. Er hat vor zwei Jahren von Herberts Leidenschaft
erfahren und aus Witz erklärt, ihm Konkurrenz machen zu wollen. Scherz hatte
das damals so ernst genommen, daß Schwarzkopf voll Vergnügen tatsächlich ein
paar Vereinen beitrat, um Herberts Reaktion zu beobachten. Mit der Zeit aber
geriet er in sein eigenes Netz, er fand Freude an dem Gedanken, und jetzt ist
er selbst ein Sammler geworden – nicht ganz so offen wie Scherz, aber heimlich und
von hinten herum, eine Schmutz-Konkurrenz, die Scherz viel Sorge macht.
«Schwarzkopf
krümmt sich nicht so leicht», sage ich, um Herbert zu reizen.
«Er
muß! Es ist diesmal nicht nur der Kranz und die Vereinsfahne – es sind auch die
Vereinsbrüder in Uniform ...»
«Uniformen
sind verboten», sage ich milde. «Wir haben den Krieg verloren, Herr Scherz,
haben Sie das übersehen? Sie hätten in einen Polizistenverein eintreten sollen;
da sind Uniformen noch erlaubt.»
Ich
sehe, daß Scherz die Polizistenidee im Geiste notiert, und werde nicht
überrascht sein, wenn er in ein paar Monaten im Schupoklub «Zur treuen
Handfessel» als stilles Mitglied erscheinen wird. Im Augenblick lehnt er erst
einmal meine Zweifel ab. «Bis ich sterbe, ist Uniformtragen längst wieder erlaubt!
Wo blieben sonst die vaterländischen Belange? Man kann uns nicht für immer
versklaven!»
Ich
sehe in das verschwollene Gesicht mit den geplatzten Äderchen. Sonderbar, wie
verschieden die Ideen über Sklaverei sind! Ich finde, ich kam ihr am nächsten
als Rekrut in Uniform. «Außerdem», sage ich, «wird man beim Tode eines
Zivilisten zweifellos nicht in Wichs mit Säbeln, Helm und Präservativ antreten.
So was ist nur für aktive Militärhengste.»
«Für
mich auch! Es ist mir diese Nacht ausdrücklich zugesagt worden! Vom Präsidenten
persönlich!»
«Zugesagt!
Was wird einem im Suff nicht alles zugesagt!»
Herbert
scheint mich nicht gehört zu haben. «Nicht allein das», flüstert er in
dämonischem Triumph. «Dazu kommt noch das Größte: die Ehrensalve über dem
Grab!»
Ich
lache in sein übernächtigtes Gesicht. «Eine Salve? Womit? Mit Selters
Wasserflaschen? Waffen sind auch verboten in unserem geliebten Vaterlande!
Versailler Vertrag, Herr Scherz. Die Ehrensalve ist ein Wunschtraum, den Sie
begraben können!»
Aber
Herbert ist nicht zu erschüttern. Er schüttelt schlau den Kopf. «Haben Sie eine
Ahnung! Wir haben längst wieder eine geheime Armee! Schwarze Reichswehr.» Er
kichert. «Ich kriege meine Salve! In ein paar Jahren haben wir sowieso alles
wieder. Allgemeine Wehrpflicht und Armee. Wie sollten wir sonst leben?»
Der
Wind bringt einen würzigen Senfgeruch um die Ecke, und der Fluß wirft plötzlich
Silber
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