E.M. Remarque
von unten über die Straße. Die Sonne ist aufgegangen. Scherz niest.
«Schwarzkopf ist endgültig geschlagen», sagt er selbstzufrieden.
«Der
Präsident hat mir versprochen, daß er nie in den Verein reingelassen wird.»
«Er
kann in einen Verein ehemaliger schwerer Artillerie eintreten», erwidere ich.
«Dann wird über seinem Grab mit Kanonen geschossen.»
Scherz
zuckt einen Moment nervös mit dem rechten Auge. Dann winkt er ab. «Das sind
Witze. Es gibt nur den einen Schützenverein in der Stadt. Nein, Schwarzkopf ist
fertig. Ich komme morgen einmal bei Ihnen vorbei, Denkmäler ansehen. Irgendwann
muß ich mich ja doch mal entscheiden.»
Er
entscheidet sich schon, seit ich im Geschäft bin. Das hat ihm den Namen
Brunnenpest eingetragen. Er ist eine ewige Frau Niebuhr und wandert von uns zu
Hollmann und Klotz und von da weiter zu Steinmeyer und läßt sich überall alles
zeigen und handelt für Stunden und kauft trotzdem nichts. Wir sind solche Typen
gewöhnt; es gibt immer wieder Leute, meistens Frauen, die eine sonderbare Lust
dabei empfinden, zu Lebzeiten ihren Sarg, ihr Sterbehemd, ihre Grabstätte und
ihr Denkmal zu bestellen – aber Herbert hat es darin zur Weltmeisterschaft
gebracht. Seine Grabstelle hat er endlich vor sechs Monaten gekauft. Sie ist
sandig, hochgelegen, trocken und hat eine schöne Aussicht. Herbert wird
langsamer und etwas ordentlicher darin verwesen als in den niedriger gelegenen,
feuchten Teilen des Friedhofs, und er ist stolz darauf. Jeden Sonntagnachmittag
verbringt er dort mit einer Thermosflasche Kaffee, einem Klappsessel und einem
Paket Streuselkuchen genießerische Stunden und beobachtet, wie der Efeu wächst.
Den Denkmalsauftrag aber läßt er immer noch vor den Mäulern der Grabsteinfirmen
pendeln wie ein Reiter die Karotte vor der Schnauze seines Esels. Wir
galoppieren, aber wir erwischen sie nie. Herbert kann sich nicht entscheiden.
Er hat immer Angst, irgendeine fabelhafte Neuerung zu verpassen, wie
elektrische Klingeln zum Sarg, Telefon oder so was.
Ich
sehe ihn voll Abneigung an. Er hat mir die Kanonen rasch heimgezahlt. «Haben
Sie irgend etwas Neues hereingekriegt?» fragt er herablassend.
«Nichts,
was Sie interessieren könnte – abgesehen von – aber das ist ja bereits so gut
wie verkauft», erwidere ich mit der plötzlichen Hellsicht der Rache und des jäh
aufflammenden Geschäftssinnes.
Herbert
beißt an. «Was?»
«Nichts
für Sie. Etwas ganz Großartiges. Und auch so gut wie verkauft.» – «Was?»
«Ein
Mausoleum. Ein sehr bedeutendes Kunstobjekt. Schwarzkopf ist äußerst
interessiert ...»
Scherz
lacht. «Haben Sie keinen älteren Verkaufstrick auf Lager?»
«Nein.
Nicht bei einem solchen Stück. Es ist eine Art Post-mortem-Klubhaus.
Schwarzkopf denkt daran, am Todestage jährlich eine kleine intime Feier darin
testamentarisch festzulegen. Das ist dann, als hätte er jedes Jahr eine neue
Beerdigung. Der Raum des Mausoleums ist stimmungsvoll dafür, mit Bänken und
bunten Scheiben. Man kann auch kleine Erfrischungen nach jeder Feier reichen.
Schwer zu übertreffen, was? Eine ewige Gedenkfeier, während kein Mensch die
alten Gräber mehr ansieht!»
Scherz
lacht weiter, aber gedankenvoller. Ich lasse ihn lachen. Die Sonne wirft
gewichtsloses, bleiches Silber vom Fluß zwischen uns. Scherz hört auf. «So, ein
solches Mausoleum haben Sie?» sagt er, bereits mit der leichten Sorge des
echten Sammlers, der fürchtet, ihm könnte eine große Gelegenheit entgehen.
«Vergessen
Sie es! Es ist so gut wie verkauft an Schwarzkopf. Sehen wir lieber die Enten
auf dem Fluß an! Was für Farben!»
«Ich
mag keine Enten. Schmecken zu muffig. Na, ich komme mal, mir Ihr
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