E.M. Remarque
üppig und lächelnd wieder ihren Tischen zu.
Otto
lehnt sich zu mir herüber. «Ich habe den Zyklus ,Die Tigerin‘ fertig», flüstert
er. «Gestern nacht beendet. Bin bereits bei einer neuen Serie: ,Das scharlachne
Weib‘. Werde es vielleicht auch ,Das große Tier der Apokalypse‘ nennen und zu freien
Rhythmen übergehen. Es ist großartig. Der Geist ist über mich gekommen!»
«Gut!
Aber was erwartest du dann noch hier?»
«Alles»,
erwidert Otto glückstrahlend. «Ich erwarte immer alles, das ist das Schöne,
wenn man noch nichts kennt. Übrigens, du kennst doch eine Dame vom Zirkus!»
«Damen,
die ich kenne, sind nicht für Anfänger da, um damit zu trainieren», sage ich.
«Du scheinst wirklich noch nichts zu wissen, du naives Kamel, sonst wärest du
nicht so dummdreist! Merke dir deshalb Gesetz Nummer eins: Laß die Finger von
den Damen anderer Leute – du hast nicht den nötigen Körperbau dazu.»
Otto
hüstelt. «Aha», sagt er dann. «Bürgerliche Vorurteile! Ich spreche doch nicht
von Ehefrauen.»
«Ich
auch nicht, du Riesenroß. Bei Ehefrauen sind die Regeln nicht so streng. Warum
soll ich denn mit aller Gewalt eine Dame vom Zirkus kennen? Ich habe dir doch
schon einmal gesagt, daß sie Billettverkäuferin in einem Flohzirkus war.»
«Willy
hat mir erzählt, das wäre nicht wahr. Sie sei beim Zirkus Akrobatin.»
«So,
Willy!» Ich sehe den roten Schädel wie einen Kürbis auf dem Meer der Tanzfläche
schwanken. «Hör zu, Otto», sage ich. «Es ist ganz anders. Willys Dame ist vom
Zirkus. Die mit dem blauen Hut. Und sie liebt die Literatur. Also da ist die
Chance! Immer feste drauf los!»
Bambuss
sieht mich mißtrauisch an. «Ich spreche aufrichtig mit dir, du vertrottelter
Idealist!» sage ich.
Riesenfeld
ist schon wieder mit Lisa unterwegs. «Was ist los mit uns, Georg?» frage ich.
«Dort drüben sucht dir ein Geschäftsfreund deine Dame auszuspannen, und hier
habe ich gerade eine Anfrage gehabt, im Interesse der deutschen Dichtkunst
Gerda auszuleihen. Sind wir solche Schafe, oder sind unsere Damen so
begehrenswert?»
«Beides.
Außerdem ist die Frau eines anderen immer fünfmal begehrenswerter als eine, die
zu haben ist. Ein altes Sittengesetz. Lisa wird aber in wenigen Minuten an
schweren Kopfschmerzen erkranken, hinausgehen, um in der Garderobe Aspirin zu
holen, und dann einen Kellner herschicken mit der Nachricht, sie hätte nach
Hause gehen müssen, wir sollten uns weiter amüsieren.»
«Ein
Schlag für Riesenfeld. Er wird uns morgen nichts mehr verkaufen.»
«Er
wird uns mehr verkaufen. Du solltest das wissen. Gerade deshalb. Wo ist Gerda?»
«Ihr
Engagement beginnt erst in drei Tagen. Ich hoffe, sie ist im Altstädter Hof.
Aber ich fürchte, sie sitzt in der Walhalla Eduards. Sie nennt das ein
Abendessen sparen. Ich kann wenig dagegen machen. Sie hat so erstklassige
Gründe, daß ich dreißig Jahre älter werden muß, um antworten zu können. Paß du
lieber auf Lisa auf. Vielleicht kriegt sie keine Kopfschmerzen, um uns wieder
weiter im Geschäft zu helfen.»
Otto
Bambuss lehnt sich wieder zu mir herüber. Seine Augen sind wie die eines
erschreckten Herings hinter den Brillengläsern. «,Manege‘ wäre ein guter Titel
für einen Band Zirkusgedichte, was? Mit Abbildungen von Toulouse-Lautrec.»
«Warum
nicht von Rembrandt, Dürer und Michelangelo?»
«Gibt
es von denen Zirkuszeichnungen?» fragt Otto ernsthaft.
Ich
gebe ihn auf. «Trink, mein Junge», sage ich väterlich. «Und freue dich deines
kurzen Lebens, denn irgendwann wirst du mal ermordet. Aus Eifersucht, du
Mondkalb!»
Er
prostet mir geschmeichelt zu und sieht dann nachdenklich zu Renée hinüber, die
einen sehr kleinen eisvogelblauen Hut auf ihren blonden Löckchen schaukelt und aussieht
wie eine
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