Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
ei­ne
ver­dammt bil­li­ge Fol­ge­rung ist, und über­dies ist sie noch falsch – aber ich bin
mü­de, mich selbst dau­ernd bei dra­ma­ti­sier­ten Ba­na­li­tä­ten zu er­wi­schen. «Al­so,
was ist los?» fra­ge ich.
    Ot­to
Bam­buss sieht mich an wie ei­ne Eu­le, die mit But­ter­milch ge­füt­tert ist. «Ich
war dort», sagt er vor­wurfs­voll. «Noch ein­mal. Zu­erst jagt ihr einen hin, und
dann wollt ihr nichts mehr da­von wis­sen!»
    «Das
ist im­mer so im Le­ben. Wo warst du?»
    «In
der Bahn­stra­ße. Im Bor­dell.»
    «Was
ist dar­an Neu­es?» fra­ge ich, oh­ne recht hin­zu­hö­ren.
    «Wir
wa­ren al­le zu­sam­men dort, wir ha­ben für dich be­zahlt, und du bist aus­ge­ris­sen.
Sol­len wir dir da­für ein Stand­bild set­zen?»
    «Ich
war noch ein­mal dort», sagt Ot­to. «Al­lein. Hör doch end­lich ein­mal zu!»
    «Wann?»
    «Nach
dem Abend in der Ro­ten Müh­le.»
    «Na,
und?» fra­ge ich lust­los. «Bist du wie­der vor den Tat­sa­chen des Le­bens
ge­flüch­tet?»
    «Nein»,
er­klärt Ot­to. «Die­ses Mal nicht.»
    «Al­le
Ach­tung! War es das Ei­ser­ne Pferd?»
    Bam­buss
er­rö­tet. «Das ist doch egal.»
    «Gut»,
sa­ge ich. «Wo­zu re­dest du denn dar­über? Es ist kei­ne ein­zig­ar­ti­ge Er­fah­rung.
Ziem­lich vie­le Leu­te in der Welt schla­fen mit Frau­en.»
    «Du
ver­stehst mich nicht. Es sind die Fol­gen.»
    «Was
für Fol­gen? Ich bin über­zeugt, daß das Ei­ser­ne Pferd nicht krank ist. Man
bil­det sich so et­was im­mer leicht ein, be­son­ders im An­fang.»
    Ot­to
macht ein ge­quäl­tes Ge­sicht. «So mei­ne ich das nicht! Du kannst dir doch
den­ken, wes­halb ich es ge­tan ha­be. Es ging al­les ganz gut mit mei­nen bei­den
Zy­klen, be­son­ders mit dem ,Weib in Schar­lach‘, aber ich dach­te, ich brauch­te
noch mehr In­spi­ra­ti­on. Ich woll­te den Zy­klus be­en­den, be­vor ich aufs Dorf
zu­rück muß. Des­halb ging ich noch ein­mal in die Bahn­stra­ße. Die­ses Mal rich­tig.
Und stell dir vor, seit­dem: nichts! Nicht ei­ne Zei­le. Es ist wie ab­ge­schnit­ten!
Das Ge­gen­teil soll­te doch der Fall sein.»
    Ich
la­che, ob­schon mir nicht da­nach zu­mu­te ist. «Das ist aber ver­damm­tes
Künst­ler­pech!»
    «Du
kannst gut la­chen», sagt Bam­buss auf­ge­regt. «Aber ich sit­ze da! Elf So­net­te
ta­del­los fer­tig, und beim zwölf­ten die­ses Un­glück! Es geht ein­fach nicht mehr!
Die Phan­ta­sie setzt aus! Schluß! Fer­tig!»
    «Es
ist der Fluch der Er­fül­lung», sagt Hun­ger­mann, der her­an­ge­kom­men ist und
an­schei­nend die Sa­che schon kennt. «Sie läßt nichts üb­rig. Ein hung­ri­ger Mann
träumt vom Fres­sen. Ei­nem sat­ten ist es zu­wi­der.»
    «Er
wird wie­der hung­rig wer­den, und die Träu­me wer­den wie­der­kom­men», er­wi­de­re ich.
    «Bei
dir; nicht bei Ot­to», er­klät Hun­ger­mann sehr zu­frie­den.
    «Du
bist ober­fläch­lich und nor­mal, Ot­to ist tief. Er hat einen Kom­plex durch einen
an­de­ren er­setzt. Lach nicht – es ist viel­leicht sein En­de als Schrift­stel­ler.
Es ist, könn­te man sa­gen, ein Be­gräb­nis im Freu­den­haus.»
    «Ich
bin leer», sagt Ot­to ver­lo­ren. «So leer wie noch nie. Ich ha­be mich rui­niert.
Wo sind mei­ne Träu­me? Er­fül­lung ist der Feind der Sehn­sucht. Ich hät­te das
wis­sen sol­len!»
    «Schreib
was dar­über», sa­ge ich.
    «Kei­ne
schlech­te Idee!» Hun­ger­mann zieht sein No­tiz­buch her­vor. «Ich hat­te sie
üb­ri­gens zu­erst. Es ist auch nichts für Ot­to; sein Stil ist da­zu nicht hart
ge­nug.»
    «Er
kann es als Ele­gie schrei­ben. Oder als La­ment. Kos­mi­sche Trau­er, Ster­ne trop­fen
wie gol­de­ne Trä­nen, Gott selbst schluchzt, weil er die Welt so ver­pfuscht hat,
Herbst­wind harft ein Re­qui­em da­zu ...»
    Hun­ger­mann
schreibt eif­rig. «Welch ein Zu­fall», sagt er zwi­schen­durch. «Ge­nau das­sel­be mit
fast den­sel­ben Wor­ten ha­be ich vor ei­ner Wo­che ge­sagt. Mei­ne Frau ist Zeu­ge.»
    Ot­to
hat leicht die Oh­ren ge­spitzt. «Da­zu kommt noch die Angst, daß ich mir was
ge­holt ha­be», sagt er. «Wie lan­ge dau­ert es, bis man es er­ken­nen kann?»
    «Bei
Trip­per drei Ta­ge, bei Lues vier Wo­chen», er­wi­dert der Ehe­mann Hun­ger­mann prompt.
    «Du
wirst dir nichts ge­holt ha­ben», sa­ge ich.

Weitere Kostenlose Bücher