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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Es
ist Li­sas Blu­men­strauß. Sie hat ihn dort de­po­niert, be­vor sie zur Ro­ten Müh­le
ge­gan­gen ist. Ich ste­he einen Au­gen­blick un­schlüs­sig; dann neh­me ich ihn auf.
Der Ge­dan­ke, daß Knopf ihn schän­den könn­te, ist zu­viel. Ich neh­me ihn mit auf
mei­ne Bu­de und stel­le ihn in ei­ne Ter­ra­kot­ta-Ur­ne, die ich aus dem Bü­ro
her­auf­ho­le. Die Blu­men be­mäch­ti­gen sich so­fort des gan­zen Zim­mers. Da sit­ze ich
nun, mit brau­nen und gel­ben und wei­ßen Chrysan­the­men, die nach Er­de und
Fried­hof rie­chen, als wür­de ich be­gra­ben! Aber ha­be ich nicht wirk­lich et­was
be­gra­ben?
    Um Mit­ter­nacht hal­te
ich den Ge­ruch nicht mehr aus. Ich se­he, daß Wil­ke fort­geht, um die
Geis­ter­stun­de in der Knei­pe zu über­ste­hen, und neh­me die Blu­men und brin­ge sie
in sei­ne Werk­statt. Die Tür steht of­fen; das Licht brennt noch, da­mit der
Ge­spens­ter­fürch­ter kei­nen Schreck be­kommt, wenn er zu­rück­kehrt. Ei­ne Fla­sche
Bier steht auf dem Sarg des Rie­sen. Ich trin­ke sie aus, stel­le Glas und Fla­sche
auf das Fens­ter­brett und öff­ne das Fens­ter, da­mit es aus­sieht, als hät­te ein
Geist Durst ge­habt. Dann streue ich die Chrysan­the­men vom Fens­ter her zum
halb­fer­ti­gen Sarg des Ban­kiers Wer­ner und le­ge an das En­de ei­ne Hand­voll
wert­lo­ser Tau­send­mark­schei­ne. Soll Wil­ke sich ir­gend­ei­nen Reim dar­auf ma­chen!
Wenn Wer­ners Sarg des­we­gen nicht fer­tig wird, so ist das kein Un­glück – der
Ban­kier hat Dut­zen­de von klei­nen Haus­be­sit­zern mit In­fla­ti­ons­geld um ihr
biß­chen Be­sitz ge­bracht.

XX
    «Möch­test du et­was se­hen,
das fast so ans Herz greift wie ein Rem­brandt?» fragt Ge­org. «Im­mer los.»
    Er
nimmt et­was aus sei­nem Ta­schen­tuch und läßt es auf den Tisch fal­len, daß es
klingt. Es dau­ert ei­ne Wei­le, bis ich es er­ken­ne. Ge­rührt schau­en wir es an. Es
ist ein gol­de­nes Zwan­zig­mark­stück. Das letz­te­mal, daß ich ei­nes ge­se­hen ha­be,
war vor dem Krie­ge. «Das wa­ren Zei­ten!» sa­ge ich. «Frie­den herrsch­te,
Si­cher­heit re­gier­te, Ma­je­stäts­be­lei­di­gun­gen wur­den noch mit Fes­tungs­haft
ge­sühnt, der Stahl­helm war un­be­kannt, un­se­re Müt­ter tru­gen Kor­setts und ho­he
Kra­gen an ih­ren Blu­sen mit ein­ge­näh­ten Fisch­bein­stäb­chen, Zin­sen wur­den
ge­zahlt, die Mark war eben­so un­an­tast­bar wie Gott, und vier­tel­jähr­lich schnitt
man ge­ruh­sam die Cou­pons von den Staats­an­lei­hen ab und be­kam sie in Gold
aus­be­zahlt. Laß dich küs­sen, du glei­ßen­des Sym­bol ei­ner ver­sun­ke­nen Zeit!»
    Ich
wie­ge das Geld­stück in der Hand. Es trägt das Bild­nis Wil­helms des Zwei­ten, der
jetzt in Hol­land Holz sägt und sich einen Spitz­bart hat wach­sen las­sen. Auf dem
Kon­ter­fei trägt er noch den stolz auf ge­zwir­bel­ten Schnurr­bart, der da­mals
hieß: Es ist er­reicht. Es war tat­säch­lich er­reicht. «Wo­her hast du es?» fra­ge
ich.
    «Von
ei­ner Wit­we, die einen gan­zen Kas­ten voll da­von ge­erbt hat.»
    «Gu­ter
Gott! Was ist es wert?»
    «Vier
Mil­li­ar­den Pa­pier­mark. Ein klei­nes Haus. Oder ein Dut­zend herr­li­cher Frau­en.
Ei­ne Wo­che in der Ro­ten Müh­le. Acht Mo­na­te Pen­si­on für einen Schwer­kriegs­ver­letz­ten
...»
    «Ge­nug
...»
    Hein­rich
Kroll tritt ein, die Fahr­rad­span­gen an den ge­streif­ten Ho­sen. «Dies hier muß
Ihr treu­es Un­ter­ta­nen­herz ent­zücken», sa­ge ich und wirble den gol­de­nen Vo­gel
vor ihm durch die Luft. Er fängt ihn auf und starrt ihn mit wäß­ri­gen Au­gen an.
«Sei­ne Ma­je­stät», sagt er er­grif­fen. «Das wa­ren noch Zei­ten! Wir hat­ten noch
un­se­re Ar­mee!»
    «Es
wa­ren an­schei­nend für je­den ver­schie­de­ne Zei­ten», er­wi­der­te ich.
    Hein­rich
blickt mich stra­fend an. «Sie wer­den doch wohl zu­ge­ben, daß es da­mals bes­se­re
Zei­ten wa­ren als heu­te!»
    «Mög­lich!»
    «Nicht
mög­lich! Be­stimmt! Wir hat­ten Ord­nung, wir hat­ten ei­ne sta­bi­le Wäh­rung, wir
hat­ten kei­ne Ar­beits­lo­sen, aber da­für ei­ne blü­hen­de Wirt­schaft, und wir wa­ren
ein ge­ach­te­tes Volk. Oder wol­len Sie das auch nicht

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