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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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be­trach­te ihn mit fres­sen­dem Neid. Da
sitzt er, oh­ne viel Sor­gen, ei­ne Zi­gar­re steckt in sei­ner Brust­ta­sche, sie wird
nicht bit­ter wie Gal­le schme­cken wie mir Wer­nickes Bra­sil, drü­ben haust Li­sa
und ist ver­narrt in ihn, ein­fach, weil er der Sohn ei­ner Fa­mi­lie ist, die
be­reits ein Ge­schäft hat­te, wäh­rend ihr Va­ter noch ein Ge­le­gen­heits­ar­bei­ter
war. Sie hat ihn als Kind an­ge­staunt, wenn er einen wei­ßen Um­le­ge­kra­gen trug
und auf den Lo­cken, die er da­mals noch be­saß, ei­ne Ma­tro­sen­müt­ze, wäh­rend sie
ein Kleid aus dem al­ten Rock ih­rer Mut­ter schlepp­te – und bei die­sem Stau­nen
ist es ge­blie­ben. Ge­org braucht nichts wei­ter zu sei­ner Glo­rie zu tun. Li­sa
weiß nicht ein­mal, glau­be ich, daß er kahl ist – für sie ist er im­mer noch der
bür­ger­li­che Prinz im Ma­tro­sen­an­zug.
    «Du
hast es gut», sa­ge ich.
    «Ich
ver­die­ne es auch», er­wi­dert Ge­org und klappt die Hef­te des Le­se­zir­kels
Mo­der­ni­tas zu. Dann holt er ein Kist­chen Sprot­ten von der Fens­ter­bank und zeigt
auf ein hal­b­es Brot und ein Stück But­ter. «Wie wä­re es mit ei­nem schlich­ten
Nachtes­sen mit Blick auf das abend­li­che Le­ben ei­ner mitt­le­ren Stadt?»
    Es
sind die­sel­ben Sprot­ten, bei de­nen mir auf der Großen Stra­ße vor dem La­den das
Was­ser im Mun­de zu­sam­men­ge­lau­fen ist. Jetzt kann ich sie plötz­lich nicht mehr
se­hen.
    «Du
er­staunst mich», sa­ge ich. «Warum ißt du zu Abend? Warum di­nierst du nicht in
dei­ner Kluft im ehe­ma­li­gen Ho­tel Ho­hen­zol­lern, im jet­zi­gen Reichs­hof? Ka­vi­ar
und See­tie­re?»
    «Ich
lie­be Kon­tras­te», er­wi­dert Ge­org. «Wie soll­te ich sonst le­ben, als
Grab­stein­händ­ler in ei­ner Klein­stadt mit der Sehn­sucht nach der großen Welt?»
    Er
steht in vol­ler Pracht am Fens­ter. Über die Stra­ße kommt plötz­lich ein hei­se­rer
Be­wun­de­rungs­ruf. Ge­org stellt sich en face, die Hän­de in den Ho­sen­ta­schen, so
daß die wei­ße Wes­te zur Gel­tung kommt. Li­sa zer­schmilzt, so­weit das bei ihr
mög­lich ist. Sie zieht den Ki­mo­no um sich, voll­führt ei­ne Art ara­bi­schen Tanz,
wi­ckelt sich her­aus, steht plötz­lich nackt und dun­kel als Sil­hou­et­te vor ih­rer
Lam­pe, wirft den Ki­mo­no wie­der um, stellt die Lam­pe ne­ben sich und ist aufs
neue warm und braun, von Kra­ni­chen über­flo­gen, ein wei­ßes La­chen wie ei­ne
Gar­de­nie im gie­ri­gen Mund. Ge­org, wie ein Pa­scha, nimmt die Hul­di­gung hin und
läßt mich wie einen Eu­nu­chen, der nicht zählt, dar­an teil­neh­men. Er hat durch
die­sen Au­gen­blick für lan­ge Zeit hin­aus den Kna­ben im Ma­tro­sen­an­zug, der dem
zer­lump­ten Mä­del im­po­niert hat, aufs neue in sei­ner Stel­lung ge­fes­tigt. Da­bei
ist ein Smo­king für Li­sa, die un­ter den Schie­bern der Ro­ten Müh­le zu Hau­se ist,
wahr­haf­tig nichts Neu­es; aber bei Ge­org ist das na­tür­lich et­was ganz an­de­res.
Rei­nes Gold. «Du hast es gut», sa­ge ich noch ein­mal. «Und ein­fach! Rie­sen­feld
könn­te sich Ar­te­ri­en auf­bei­ßen, Ge­dich­te ma­chen und sei­ne Gra­nit­wer­ke rui­nie­ren
– er wür­de nicht schaf­fen, was du als Man­ne­quin er­reichst.»
    Ge­org
nickt. «Es ist ein Ge­heim­nis! Aber dir will ich es ver­ra­ten. Tue nie et­was
kom­pli­ziert, was auch ein­fach geht. Es ist ei­ne der größ­ten Le­bens­weis­hei­ten,
die es gibt. Sehr schwer an­zu­wen­den. Be­son­ders für In­tel­lek­tu­el­le und
Ro­man­ti­ker.»
    «Sonst
noch was?»
    «Nein.
Aber pro­du­zie­re dich nie als geis­ti­ger Her­ku­les, wenn ei­ne neue Ho­se das­sel­be
er­reicht. Du ir­ri­tierst so dei­nen Part­ner nicht, er braucht sich nicht
an­zu­stren­gen, dir zu fol­gen, du bleibst ru­hig und ge­las­sen, und das, was du
willst, fällt dir, bild­lich ge­spro­chen, in den Schoß.»
    «Mach
dir kei­nen Fett­fleck auf die Sei­den­auf­schlä­ge», sa­ge ich. «Sprot­ten trop­fen
leicht.»
    «Du
hast recht.» Ge­org zieht den Rock aus. «Man soll sein Glück nie for­cie­ren. Ein
wei­te­res be­ach­tens­wer­tes Mot­to.»
    Er
greift wie­der nach den Sprot­ten. «Warum schreibst du nicht Mot­to-Se­ri­en für
Ka­len­d­er­fir­men?» fra­ge ich

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