E.M. Remarque
Familie sagen.»
«Laß
sie in Ruhe. Der Alte war eine Pest. Sie sind froh, daß es soweit ist.»
«Das
weiß ich nicht. Anhänglichkeit geht sonderbare Wege. Sie könnten ihm den Magen
auspumpen lassen.»
«Er
wird dagegen so kämpfen, daß ihn der Schlag trifft oder daß ihm die Leber
platzt. Aber telefoniere dem Arzt, wenn es dein Gewissen beruhigt. Hirschmann.»
Ich
erreiche den Arzt. «Der alte Knopf hat gerade eine kleine Flasche Korn
ausgetrunken», sage ich. «Wir haben es vom Fenster aus gesehen.»
«In
einem Zug?»
«In
zwei Zügen, glaube ich. Was hat das damit zu tun?»
«Nichts.
Es war nur Neugierde. Er ruhe in Frieden.»
«Kann
man nichts tun?»
«Nichts»,
sagt Hirschmann. «Er würde so und so eingehen. Mich wundert, daß er überhaupt
bis heute durchgehalten hat. Setzen Sie ihm einen Grabstein in Form einer
Flasche.»
«Sie
sind ein herzloser Mensch», sage ich.
«Nicht
herzlos, zynisch. Sie sollten den Unterschied kennen! Sie sind ja aus der
Branche! Zynismus ist Herz mit negativem Vorzeichen, wenn Sie das tröstet.
Trinken Sie einen Gedächtnisschluck auf die heimgefahrene Schnapsdrossel.»
Ich
lege das Telefon auf. «Ich glaube, Georg», sage ich, «es wird wirklich höchste
Zeit, daß ich unsern Beruf verlasse. Er verroht zu sehr.»
«Er
verroht nicht. Er stumpft ab.»
«Noch
schlimmer. Er ist nichts für ein Mitglied der Werdenbrücker Dichterakademie. Wo
bleibt das tiefe Erstaunen, das Grauen, die Ehrfurcht vor dem Tode, wenn man
sie kassenmäßig oder in Denkmälern auswertet?»
«Es
bleibt genug davon», sagt Georg. «Aber ich verstehe dich. Laß uns jetzt zu
Eduard gehen und dem alten Zwölfender ein stilles Glas weihen.»
Wir
kommen nachmittags zurück. Eine Stunde später tönt Lärm und Geschrei aus der
Knopfschen Wohnung.
«Friede
seiner Asche», sagt Georg. «Komm, wir müssen rübergehen und die üblichen
Trostworte sagen.»
«Hoffentlich
haben sie alle ihre Trauerkleidung fertig. Das wird der einzige Trost sein, den
sie im Augenblick brauchen.»
Die
Tür ist unverschlossen. Wir öffnen sie, ohne zu klingeln, und bleiben stehen.
Ein unerwartetes Bild empfängt uns. Der alte Knopf steht im Zimmer, seinen
Spazierstock in der Hand, angezogen, um auszugehen. Hinter den drei
Nähmaschinen drängen sich seine Frau und seine drei Töchter. Knopf schlägt mit
dem Stock auf sie ein. Mit einer Hand hält er sich am Hals der vorderen
Nähmaschine fest, um einen guten Stand zu haben, mit der anderen prügelt er.
Die Schläge sind nicht besonders stark, aber Knopf tut, was er kann. Rundum
liegen die Trauerkleider am Boden.
Es
ist einfach, die Lage zu übersehen. Anstatt ihn zu töten, hat der Kornschnaps
den Feldwebel so belebt, daß er sich angezogen hat, um wahrscheinlich auf die
übliche Runde durch die Kneipen zu gehen. Da niemand ihm gesagt hat, daß er
todkrank sei, und seine Frau aus Angst vor ihm auch keinen Geistlichen geholt
hat, der ihn auf die ewige Seligkeit hätte vorbereiten können, ist Knopf gar
nicht auf den Gedanken gekommen, zu sterben. Er hat schon viele Anfälle überstanden,
und dies ist für ihn einer von vielen. Daß er jetzt wütend ist, ist zu
begreifen – kein Mensch jubelt, wenn er sieht, daß seine Familie ihn schon so
völlig abgeschrieben hat, daß sie teures Geld für Trauerkleider ausgibt.
«Verfluchte
Bande!» krächzt er. «Habt euch wohl schon gefreut, was? Ich will euch lehren!»
Er
verfehlt seine Frau und zischt vor Wut. Sie hält den Stock fest. «Aber Vater,
wir mußten uns doch vorsehen, der Arzt ...»
«Der
Arzt ist ein Idiot! Laß den Stock los, du Satan! Laß den Stock los,
sage ich, du Bestie!»
Die
kleine, runde Frau läßt den Stock tatsächlich los. Der zischende Enterich vor
ihr schwingt ihn und trifft eine seiner Töchter. Die drei Frauen könnten den
schwachen Alten mühelos
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