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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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er­bit­tert den leicht­fer­ti­gen Bauch­red­ner der
Le­bens­weis­heit. «Es ist scha­de, sol­che Pla­ti­tü­den nur so in das Uni­ver­sum
hin­ein­zu­re­den.»
    «Ich
schen­ke sie dir. Für mich ist das ein Sti­mu­lans, kei­ne Pla­ti­tü­de. Wer von Na­tur
schwer­mü­tig ist und noch einen sol­chen Be­ruf hat, muß al­les tun, um sich zu
er­hei­tern, und soll da­bei nicht wäh­le­risch sein. Aber­mals ein Mot­to.»
    Ich
se­he, daß ich ihm nicht bei­kom­men kann, und ver­schwin­de des­halb, als die
Sprot­ten­kis­te leer ist, in mei­ner Bu­de. Aber auch da kann ich mich nicht
aus­to­ben – nicht ein­mal auf dem Kla­vier, des ster­ben­den oder to­ten Feld­we­bels
we­gen –, und Trau­er­mär­sche, das ein­zig Mög­li­che, ha­be ich oh­ne­dem ge­nug im
Kopf.

XXII
    Im Schlaf­zim­mer des
al­ten Knopf taucht plötz­lich ein Ge­spenst auf. Es dau­ert ei­ne Wei­le, ehe ich im
spie­geln­den Mit­tags­licht den Feld­we­bel er­ken­ne. Er lebt al­so noch und hat sich
aus dem Bett ans Fens­ter ge­schleppt. Grau stiert der Kopf über dem grau­en
Nacht­hemd in die Welt.
    «Sieh
an», sa­ge ich zu Ge­org. «Er will nicht in den Sie­len ster­ben. Das al­te
Schlacht­roß will einen letz­ten Blick in die Rich­tung der Wer­den­brücker
Schnaps­fa­bri­ken tun.»
    Wir
be­trach­ten ihn. Der Schnurr­bart hängt als trau­ri­ges Ge­strüpp vom Mun­de. Die
Au­gen sind blei­far­ben. Er glotzt noch ei­ne Zeit­lang, dann kehrt er sich ab.
    «Das
war sein letz­ter Blick», sa­ge ich. «Rüh­rend, daß selbst ei­ne so ab­ge­här­te­te
See­le von ei­nem Men­schen­schin­der noch ein­mal die Welt an­schau­en will, be­vor sie
sie für im­mer ver­läßt. Ein Stoff für Hun­ger­mann, den so­zia­len Dich­ter.»
    «Er
tut einen zwei­ten Blick», er­wi­dert Ge­org.
    Ich
ver­las­se den Ver­viel­fäl­ti­gungs­ap­pa­rat Pre­sto, an dem ich Ka­ta­log­blät­ter für
un­se­re Ver­tre­ter hek­to­gra­phie­re, und kom­me zum Fens­ter zu­rück. Der Feld­we­bel
steht wie­der da. Er hebt hin­ter den spie­geln­den Fens­ter­schei­ben et­was hoch und
trinkt. «Sei­ne Me­di­zin!» sa­ge ich. «Wie doch selbst die wüs­tes­te Rui­ne am Le­ben
hängt! Ein zwei­ter Stoff für Hun­ger­mann.»
    «Das
ist kei­ne Me­di­zin», er­wi­dert Ge­org, der schär­fe­re Au­gen hat als ich. «Me­di­zin
kommt nicht in Schnaps­fla­schen.»
    «Was?»
    Wir
öff­nen un­ser Fens­ter. Die Spie­ge­lung ver­schwin­det, und ich se­he, daß Ge­org
recht hat: Der al­te Knopf säuft aus ei­ner un­ver­kenn­ba­ren Schnapspul­le. «Ein
gu­ter Ein­fall sei­ner Frau», sa­ge ich, «ihm Was­ser in ei­ne Schnaps­fla­sche zu
fül­len, da­mit er es so leich­ter trinkt. Denn Schnaps hat er nicht mehr in der
Bu­de; al­les ist ja durch­sucht wor­den.»
    Ge­org
schüt­telt den Kopf. «Wenn das Was­ser wä­re, hät­te er die Fla­sche längst durchs
Fens­ter ge­schmis­sen. So­lan­ge ich den Al­ten ken­ne, hat er Was­ser nur zum Wa­schen
be­nützt – und das auch nicht gern. Das da ist Schnaps, den er trotz der
Haus­su­chung noch ir­gend­wo ver­steckt ge­habt hat, und du, Lud­wig, hast das
er­ha­be­ne Schau­spiel vor dir, einen Men­schen mu­tig sei­nem Schick­sal
ge­gen­über­tre­ten zu se­hen. Der al­te Feld­we­bel will auf dem Fel­de der Eh­re
fal­len, die Hand an der Gur­gel des Fein­des.»
    «Sol­len
wir nicht sei­ne Frau ru­fen?»
    «Glaubst
du, sie kön­ne ihm die Fla­sche weg­neh­men?»
    «Nein.»
    «Der
Arzt hat ihm höchs­tens ein paar Ta­ge ge­ben. Was ist da der Un­ter­schied?»
    «Der
des Chris­ten und der des Fa­ta­lis­ten. Herr Knopf!» ru­fe ich. «Herr Feld­we­bel!»
    Ich
weiß nicht, ob er mich ge­hört hat, aber er macht ei­ne Be­we­gung, die wie ein
Gruß mit der Fla­sche aus­sieht. Dann setzt er aufs neue an. «Herr Knopf!» ru­fe
ich. «Frau Knopf!»
    «Zu
spät!» sagt Ge­org.
    Knopf
hat ab­ge­setzt. Er macht noch ei­ne zwei­te krei­sen­de Be­we­gung mit der Fla­sche.
Wir er­war­ten, daß er zu­sam­men­bricht. Der Arzt hat er­klärt, je­der Trop­fen
Al­ko­hol sei töd­lich für ihn. Nach ei­ner Wei­le ver­schwin­det er im Hin­ter­grund
des Zim­mers wie ei­ne Lei­che, die lang­sam im Was­ser ver­sinkt. «Ein schö­ner Tod»,
sagt Ge­org.
    «Wir
soll­ten es der

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