E.M. Remarque
sie,
«erzähl dem Mädchen nie etwas von deinen anderen Lieben. Verstehst du?»
«Ja»,
erwidere ich. «Es tut mir leid, Gerda.»
«Um
Gottes willen, halt den Schnabel und iß!»
Ich
sehe sie an. Sie ißt ruhig und sachlich, ihr Gesicht ist klar und fest, sie ist
von Kindheit an gewöhnt, unabhängig zu leben, sie kennt ihr Dasein und hat sich
damit abgefunden. Sie hat all das, was ich nicht habe, und ich wollte, ich
liebte sie, und das Leben wäre klar und übersehbar, und man wüßte immer alles
darüber, was man braucht, nicht allzuviel, aber das unanfechtbar.
«Weißt
du, ich will nicht viel», sagt Gerda. «Ich bin mit Prügeln aufgewachsen und
dann von zu Hause weggelaufen. Jetzt habe ich genug von meinem Beruf und werde
seßhaft. Eduard ist nicht der Schlechteste.»
«Er
ist eitel und geizig», erkläre ich und ärgere mich sofort darüber, es gesagt zu
haben.
«Das
ist besser als schlampig und verschwenderisch, wenn man jemanden heiraten
will.»
«Ihr
wollt heiraten?» frage ich überrascht. «Glaubst du ihm das wirklich? Er wird
dich ausnützen und dann irgendeine Hotelierstochter mit Geld heiraten.»
«Er
hat mir nichts versprochen. Ich habe nur einen Kontrakt mit ihm für die Bar
gemacht, für drei Jahre. Er wird in den drei Jahren merken, daß er mich nicht
entbehren kann.»
«Du
hast dich verändert», sage ich.
«Ach,
du Schaf! Ich habe nur einen Entschluß gefaßt.»
«Bald
wirst du mit Eduard auf uns schimpfen, weil wir immer noch die billigen
Eßmarken haben.»
«Habt
ihr noch welche?»
«Noch
für ein und einen halben Monat.»
Gerda
lacht. «Ich werde nicht schimpfen. Außerdem habt ihr sie ja seinerzeit richtig
bezahlt.»
«Es
war unser einziges gelungenes Börsengeschäft.» Ich sehe Gerda nach, während sie
die Teller abräumt. «Ich werde sie Georg lassen», sage ich. «Ich komme nicht
mehr ins ,Walhalla‘.»
Sie
dreht sich um. Sie lächelt, aber ihre Augen lächeln nicht. «Warum nicht?» fragt
sie.
«Ich
weiß nicht. Mir ist so. Aber vielleicht komme ich doch.»
«Natürlich
kommst du! Warum solltest du nicht kommen?»
«Ja,
warum nicht?» sage ich mutlos.
Von
unten tönt gedämpft das elektrische Klavier. Ich stehe auf und gehe ans
Fenster. «Wie schnell dieses Jahr vorbeigegangen ist», sage ich.
«Ja»,
erwidert Gerda und lehnt sich an mich. «Typisch», murmelt sie. «Gefällt einem
schon einmal jemand, da muß es ausgerechnet so einer sein wie du – der nicht zu
einem paßt.» Sie stößt mich weg. «Nun geh schon – geh zu deiner himmlischen
Liebe – was verstehst du schon von Frauen?»
«Nichts.»
Sie
lächelt. «Versuch es auch gar nicht erst, Baby. Es ist besser. Und nun geh!
Hier, nimm das mit.»
Sie
holt eine Münze und gibt sie mir. «Was ist das?» frage ich.
«Ein
Mann, der Leute durchs Wasser trägt. Er bringt Glück.»
«Hat
er dir Glück gebracht?»
«Glück?»
erwidert Gerda. «Das kann eine Menge sein. Vielleicht. Und nun geh.»
Sie
schiebt mich hinaus und schließt die Tür hinter mir. Ich gehe die Treppe
hinunter. Auf dem Hof begegnen mir zwei Zigeunerinnen. Sie gehören jetzt zum
Programm in der Kneipe. Die Ringkämpferinnen sind längst fort. «Die Zukunft,
junger Herr?» fragt die jüngere Zigeunerin. Sie riecht nach Knoblauch und
Zwiebeln.
«Nein»,
sage ich. «Heute nicht.»
Bei Karl Brill
herrscht höchste Spannung. Ein Haufen Geld liegt auf dem Tisch; es müssen
Billionen sein. Der Gegner ist ein Mann mit dem Kopf eines Seehundes und sehr
kleinen Händen. Er hat soeben den Nagel in der Wand probiert und kehrt zurück.
«Noch zweihundert Milliarden», erklärt er mit heller Stimme.
«Angenommen»,
erwidert Karl Brill.
Die
Duellanten deponieren den Zaster. «Noch jemand?» fragt Karl.
Niemand
meldet sich. Das Spiel ist für alle zu hoch. Karl schwitzt klare Perlen, ist
aber zuversichtlich. Die Einsätze stehen vierzig zu sechzig für ihn. Er
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