E.M. Remarque
seinem schweren Hosengürtel zu bearbeiten. Ich gebe ihm
einen mittelstarken Tritt in den Hintern. Er dreht sich um, bereit, auch mich
anzufallen, sieht meine beschwörenden Augen, meine aufgehobenen Hände und
meinen lautlos flüsternden Mund und erwacht aus seinem Blutrausch. Menschliches
Verstehen glänzt wieder in seinen braunen Augen auf. Er nickt kurz, während ihm
nunmehr das Blut aus der Nase sprudelt, dreht sich wieder um und sinkt mit dem
Ruf:
«Klara!
Ich habe nichts getan, aber verzeih mir!» an Frau Beckmanns Bett nieder.
«Du
Ferkel!» schreit sie. «Du Doppelferkel! Mein Kimono!»
Sie
zerrt das kostbare Stück beiseite. Karl blutet ins Bettlaken. «Verfluchter
Lügner!» erklärt sie. «Auch noch das!»
Ich
merke, daß Karl, ein ehrlicher, einfacher Mann, der eine sofortige Belohnung
für seinen Kniefall erwartet hat, wieder wütend hoch will. Wenn er mit der
blutenden Nase einen Ringkampf beginnt, ist alles verloren. Frau Beckmann wird
ihm vielleicht die Kassiererin aus dem «Hohenzollern», aber nie den verdorbenen
Kimono verzeihen. Ich trete ihm von hinten auf den Fuß, halte mit einer Hand
seine Schulter herunter und sage: «Frau Beckmann, er ist unschuldig! Er hat
sich für mich geopfert.»
«Was?»
«Für
mich», wiederhole ich. «Unter Kameraden aus dem Kriege kommt so was vor ...»
«Was?
Ihr mit eurer verfluchten Kriegskameradschaft, ihr Lügenhälse und Gauner – und
so was soll ich glauben!»
«Geopfert!»
sage ich. «Er hat mich mit der Kassiererin bekanntgemacht, das war alles.»
Frau
Beckmann richtet sich mit flammenden Augen auf.
«Was?
Sie wollen mir doch nicht einreden, daß ein junger Mann wie Sie auf so ein
altes, abgetakeltes Stück fliegt wie diesen Kadaver im .Hohenzollern‘!»
«Nicht
fliegen, gnädige Frau», sage ich. «Aber in der Not frißt der Teufel Fliegen.
Wenn einen die Einsamkeit an der Gurgel hat ...»
«Ein
junger Mann wie Sie kann doch andere kriegen!»
«Jung,
aber arm», erwidere ich. «Frauen wollen heutzutage in Bars geführt werden, und
wenn wir schon davon reden, dann werden Sie mir doch zugeben, daß, wenn Sie
schon mir, einem alleinstehenden Junggesellen im Sturm der Inflation, die
Kassiererin nicht glauben, es doch völlig absurd wäre, so etwas von Karl Brill
anzunehmen, der sich der Gunst der schönsten und interessantesten Frau von ganz
Werdenbrück erfreut, unverdientermaßen, zugegeben ...»
Das
Letzte saß. «Er ist ein Lump!» sagt Frau Beckmann. «Und unverdient ist wahr.»
Karl
regt sich. «Klara, du bist doch mein Leben!» heult er dumpf aus den blutigen
Bettlaken.
«Ich
bin dein Bankkonto, du kalter Stein!» Frau Beckmann wendet sich mir zu. «Und
wie war es mit der halbtoten Ziege vom ,Hohenzollern‘?»
Ich
winke ab. «Es ist zu nichts gekommen! Ich habe mich geekelt.»
«Das
hätte ich Ihnen im voraus sagen können!» erklärte sie tief befriedigt.
Der
Kampf ist entschieden. Wir sind beim Rückzugsgeplänkel. Karl verspricht Klara
einen seegrünen Kimono mit Lotosblumen und Bettschuhe mit Schwanenflaum. Dann
geht er, kaltes Wasser in die Nase hochzuziehen, und Frau Beckmann erhebt sich.
«Wie hoch ist die Wette?» fragt sie.
«Hoch»,
erwidere ich. «Billionen.»
«Karl!»
ruft sie. «Beteilige Herrn Bodmer mit 250 Milliarden.»
«Selbstverständlich,
Klara!»
Wir
schreiten die Treppe hinunter. Unten sitzt der Seehund, bewacht von den
Freunden Karls. Wir erfahren, daß er versucht hat zu schwindeln, während wir
fort waren, aber Karls Saufbrüder haben ihm den Hammer rechtzeitig entrissen.
Frau Beckmann lächelt verächtlich, und dreißig Sekunden später liegt der Nagel
auf dem Fußboden. Majestätisch entwandelt sie, von den Klängen des
«Alpenglühens» geleitet.
«Ein
Kamerad ist ein Kamerad»,
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