Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
sagt Karl Brill spä­ter ge­rührt zu mir.
    «Eh­ren­sa­che!
Aber wie war das mit der Kas­sie­re­rin?»
    «Was
soll man ma­chen?» er­wi­dert Karl. «Sie wis­sen, wie ei­nem manch­mal abends zu­mu­te
ist! Aber daß das Lu­der auch re­den muß! Ich wer­de den Leu­ten mei­ne Kund­schaft
ent­zie­hen. Sie aber, lie­ber Freund – wäh­len Sie, was Sie wol­len!» Er zeigt auf
die Le­der­stücke. «Ein Paar Maß­schu­he ers­ter Qua­li­tät als Ge­schenk – was Sie
wol­len: Box­calf schwarz, braun, gelb, Lack, Wild­le­der – ich wer­de sie selbst
an­fer­ti­gen ...»
    «Lack»,
sa­ge ich.
    Ich
kom­me nach Hau­se und se­he im Hof ei­ne dunkle Ge­stalt. Es ist tat­säch­lich der
al­te Knopf, der ge­ra­de vor mir ein­ge­trof­fen ist und sich, als wä­re er nicht
schon tot­er­klärt, be­reit macht, den Obe­lis­ken zu schän­den. «Herr Feld­we­bel»,
sa­ge ich und neh­me ihn am Arm. «Sie ha­ben für Ih­re kin­di­schen Äu­ße­run­gen jetzt
Ih­ren ei­ge­nen Grab­stein. Be­nüt­zen Sie den!»
    Ich
füh­re ihn zu dem Hü­gel­stein, den er ge­kauft hat, und war­te vor der Haus­tür,
da­mit er nicht noch den Obe­lis­ken be­nutzt.
    Knopf
starrt mich an. «Mei­nen ei­ge­nen Stein? Sind Sie ver­rückt. Was ist er jetzt
wert?»
    «Nach
dem Dol­lar­kurs von heu­te abend neun Mil­li­ar­den?»
    «Und
dar­an soll ich pis­sen?»
    Knopfs
Au­gen ir­ren ein paar Se­kun­den um­her – dann wankt er knur­rend ins Haus. Was
nie­mand zu­we­ge ge­bracht hat, hat der schlich­te Be­griff des Ei­gen­tums er­reicht!
Der Feld­we­bel be­nützt sei­ne ei­ge­ne Toi­let­te. Da kom­me noch ei­ner mit
Kom­mu­nis­mus! Ei­gen­tum gibt Sinn für Ord­nung!
    Ich
ste­he noch ei­ne Wei­le da und den­ke dar­über nach, daß die Na­tur von der Amö­be
her Mil­lio­nen von Jah­ren ge­braucht hat, um über Fisch, Frosch, Wir­bel­tier und
Af­fen den al­ten Knopf her­vor­zu­brin­gen, ein Ge­schöpf, voll­ge­stopft mit
phy­si­ka­li­schen und che­mi­schen Wun­der­wer­ken, ei­nem Blut­kreis­lauf von höchs­ter
Ge­nia­li­tät, ei­ner Herz­ma­schi­ne, die man nur an­be­ten kann, ei­ner Le­ber und zwei
Nie­ren, ge­gen die die IG Far­ben­fa­bri­ken lä­cher­li­che Pfu­scher­werk­stät­ten sind –
und das al­les, die­ses über Mil­lio­nen von Jah­ren sorg­fäl­tig ver­voll­komm­ne­te Wun­der­werk,
etats­mä­ßi­ger Feld­we­bel Knopf ge­nannt, nur da­zu, um für ei­ne kur­ze Zeit auf
Er­den arm­se­li­ge Bau­ern­jun­gens zu schin­den und sich dann mit ei­ner mä­ßi­gen
Staats­pen­si­on dem Trun­ke zu er­ge­ben! Gott macht sich wirk­lich manch­mal viel
Mü­he um nichts!
    Kopf­schüt­telnd
dre­he ich das Licht in mei­nem Zim­mer an und star­re in den Spie­gel. Da ist ein
an­de­res Wun­der­werk der Na­tur, das auch nicht viel mit sich an­zu­fan­gen weiß. Ich
dre­he das Licht ab und zie­he mich im Dun­keln aus.

XXIII
    In
der Al­lee
kommt mir ei­ne jun­ge Da­me ent­ge­gen. Es ist Sonn­tag mor­gen, und ich ha­be sie
be­reits in der Kir­che ge­se­hen. Sie trägt ein hell­grau­es, gut sit­zen­des
Ja­cken­kleid, einen klei­nen Filz­hut, graue Wild­le­der­schu­he, heißt Ge­ne­viè­ve
Ter­ho­ven und ist mir son­der­bar fremd.
    Sie
war mit ih­rer Mut­ter in der Kir­che. Ich ha­be sie ge­se­hen, und ich ha­be
Bo­den­diek ge­se­hen und auch Wer­ni­cke, dem der Er­folg nur so von den Mund­win­keln
trieft. Ich ha­be den Gar­ten um­kreist und auf nichts mehr ge­hofft, und nun kommt
Isa­bel­le plötz­lich al­lein durch die Al­lee, die schon fast kahl ist. Ich blei­be
ste­hen. Sie kommt, schmal und leicht und ele­gant, und mit ihr kommt auf ein­mal
al­le Sehn­sucht wie­der, der Him­mel und mein ei­ge­nes Blut. Ich kann nicht
spre­chen. Ich weiß von Wer­ni­cke, daß sie ge­sund ist, daß die Schat­ten ver­weht
sind, und ich spü­re es selbst; sie ist auf ein­mal da, an­ders als frü­her, aber
ganz da, nichts von Krank­heit steht mehr zwi­schen uns, voll springt die Lie­be
aus mei­nen Hän­den und Au­gen, und ein Schwin­del steigt wie ein laut­lo­ser
Wir­bel­sturm die Adern em­por ins Ge­hirn. Sie sieht mich an.
    «Isa­bel­le»,
sa­ge ich.
    Sie
sieht mich wie­der an, ei­ne schma­le Fal­te zwi­schen den Brau­en. «Ja?» fragt sie.
    Ich
fas­se es nicht

Weitere Kostenlose Bücher