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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Ih­nen si­cher loh­nen.»
    «Das
be­stimmt. Da ist nur die Schwie­rig­keit mit dem Abendes­sen. Acht Uhr liegt
ge­ra­de so da­zwi­schen. Hin­ter­her ist es zu spät und vor­her ist es ei­ne Het­ze.»
    «Oh,
was das be­trifft – Sie könn­ten na­tür­lich hier es­sen, wenn Sie wol­len.
Hoch­wür­den ißt ja auch im­mer hier. Viel­leicht ist das ein Aus­weg.»
    Es
ist ge­nau der Aus­weg, den ich woll­te. Das Es­sen hier ist fast so gut wie bei
Eduard, und wenn ich mit dem Pries­ter zu­sam­men es­se, gibt es be­stimmt ei­ne
Fla­sche Wein da­zu. Da Eduard sonn­tags das Abon­ne­ment ge­sperrt hat, ist das
so­gar ein her­vor­ra­gen­der Aus­weg.
    «Gut»,
sa­ge ich. «Ich wer­de es ver­su­chen. Über das Geld brau­chen wir wei­ter nicht zu
re­den.»
    Die
Oberin at­met auf. «Gott wird es Ih­nen loh­nen.»
    Ich
ge­he zu­rück.
Die We­ge im Gar­ten sind leer. Ich war­te noch ei­ne Zeit­lang auf das gel­be Se­gel
aus Shan­tungs­ei­de. Dann läu­ten die Glo­cken aus der Stadt zu Mit­tag, und ich
weiß, daß jetzt der Schlaf für Isa­bel­le kommt und dann der Arzt, und vor vier
Uhr ist nichts zu ma­chen. Ich ge­he durch das große Tor den Hü­gel hin­un­ter.
Un­ten liegt die Stadt mit ih­ren grün pa­ti­nier­ten Tür­men und den rau­chen­den
Schorn­stei­nen. Zu bei­den Sei­ten der Kas­ta­ni­en­al­lee brei­ten sich die Fel­der aus,
in de­nen an den Wo­chen­ta­gen die un­ge­fähr­li­chen Ir­ren ar­bei­ten. Die An­stalt ist
zum Teil öf­fent­lich, zum Teil pri­vat. Die Pri­vat­pa­ti­en­ten brau­chen na­tür­lich
nicht zu ar­bei­ten. Hin­ter den Fel­dern be­ginnt der Wald mit Bä­chen, Tei­chen und
Lich­tun­gen. Ich ha­be dort als Jun­ge Fi­sche, Mol­che und Schmet­ter­lin­ge ge­fan­gen.
Es ist erst zehn Jah­re her; aber es scheint in ei­nem an­de­ren Le­ben ge­we­sen zu
sein, in ei­ner ver­schol­le­nen Zeit, in der das Da­sein ru­hig ab­lief und sich
or­ga­nisch ent­wi­ckel­te und in der al­les zu­ein­an­der ge­hör­te, von der Kind­heit an.
Der Krieg hat das ver­än­dert; wir le­ben seit 1914 Fet­zen aus ei­nem und dann
Fet­zen aus ei­nem zwei­ten und drit­ten Le­ben; sie ge­hö­ren nicht zu­sam­men und wir
kön­nen sie auch nicht zu­sam­men­brin­gen. Des­halb ist es nicht ein­mal zu
schwie­rig, Isa­bel­le mit ih­ren ver­schie­de­nen Le­ben zu ver­ste­hen. Nur ist sie
fast bes­ser dran als wir; sie ver­gißt, wenn sie in ei­nem ist, al­le an­de­ren. Bei
uns aber ge­hen sie durch­ein­an­der – die Kind­heit, die ab­ge­ris­sen wur­de durch den
Krieg, die Zeit des Hun­gers und die des Schwin­dels, die der Schüt­zen­grä­ben und
die der Le­bens­gier –, von al­len ist et­was ge­blie­ben und macht un­ru­hig. Man kann
es nicht ein­fach bei­sei­te schie­ben. Es taucht im­mer über­ra­schend wie­der auf und
steht sich dann un­ver­söhn­lich ge­gen­über: der Him­mel der Kind­heit und die
Kennt­nis des Tö­tens, die ver­lo­re­ne Ju­gend und der Zy­nis­mus zu frü­hen Wis­sens.

IV
    Wir sit­zen im Bü­ro und
war­ten auf Rie­sen­feld. Als Abendes­sen ha­ben wir ei­ne Erb­sen­sup­pe zu uns
ge­nom­men, die so dick war, daß der Schöpf­löf­fel auf­recht dar­in ste­hen­blieb –
da­zu ha­ben wir das Fleisch ge­ges­sen, das hin­ein­ge­kocht wor­den ist –
Schwei­ne­pfo­ten, Schwei­neoh­ren und für je­den ein sehr fet­tes Stück
Schwei­ne­bauch. Das Fett brau­chen wir, um un­se­re Mä­gen ge­gen den Al­ko­hol zu
im­prä­gnie­ren – wir dür­fen heu­te auf kei­nen Fall frü­her be­trun­ken wer­den als
Rie­sen­feld. Die al­te Frau Kroll hat des­halb selbst für uns ge­kocht und uns zum
Nach­tisch noch ei­ne Por­ti­on fet­ten Hol­län­der Kä­se auf­ge­drängt. Die Zu­kunft der Fir­ma
steht auf dem Spiel. Wir müs­sen Rie­sen­feld ei­ne La­dung Gra­nit ent­rei­ßen, selbst
wenn wir da­für auf den Kni­en vor ihm nach Hau­se rut­schen müs­sen. Mar­mor,
Mu­schel­kalk und Sand­stein ha­ben wir noch – aber Gra­nit, der Ka­vi­ar der Trau­er,
fehlt uns bit­ter.
    Hein­rich
Kroll ist aus dem Weg ge­räumt wor­den. Der Sarg­tisch­ler Wil­ke hat uns den
Ge­fal­len ge­tan. Wir ha­ben ihm zwei Fla­schen Korn ge­ge­ben, und er hat Hein­rich
vor dem Abendes­sen zu ei­nem Skat mit frei­em Schnaps

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