Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
La­den­be­sit­zer,
Ar­bei­ter, Rent­ner, die ih­re Spar­kas­sen­ein­la­gen und ih­re Bank­gut­ha­ben
da­hin­schmel­zen se­hen, und An­ge­stell­te und Be­am­te, die ihr Le­ben von Ge­häl­tern
fris­ten müs­sen, die ih­nen nicht mehr er­lau­ben, auch nur ein Paar neue Schu­he zu
kau­fen. Wer ver­dient, sind die Schie­ber, die Wech­sel­kö­ni­ge, die Aus­län­der, die
für ein paar Dol­lars, Kro­nen oder Zlo­tys kau­fen kön­nen, was sie wol­len, und die
großen Un­ter­neh­mer, Fa­bri­kan­ten und Bör­sen­spe­ku­lan­ten, die ih­re Ak­ti­en und
ih­ren Be­sitz ins Un­ge­mes­se­ne ver­grö­ßern. Für sie ist al­les bei­na­he um­sonst. Es
ist der große Aus­ver­kauf des Spa­rers, des ehr­li­chen Ein­kom­mens und der
An­stän­dig­keit. Die Gei­er flat­tern von al­len Sei­ten, und nur wer Schul­den ma­chen
kann, ist fein her­aus. Sie ver­schwin­den von selbst.
    Rie­sen­feld war es, der uns
al­les dies im letz­ten Au­gen­blick bei­ge­bracht und uns zu win­zi­gen
Mit­schma­rot­zern an der großen Plei­te ge­macht hat. Er ak­zep­tier­te von uns den
ers­ten Drei­mo­nats­wech­sel, ob­wohl zu­min­dest wir da­mals nicht gut für die Sum­me
wa­ren, die dar­auf­stand. Aber die Oden­wäl­der Wer­ke wa­ren gut, und das ge­nüg­te.
Wir wa­ren na­tür­lich dank­bar. Wir ver­such­ten ihn zu un­ter­hal­ten wie einen
in­di­schen Ra­dscha, wenn er nach Wer­den­brück kam – das heißt, so­weit ein in­di­scher
Ra­dscha eben in Wer­den­brück un­ter­hal­ten wer­den kann. Kurt Bach, un­ser
Bild­hau­er, mach­te ein far­bi­ges Por­trät von ihm, das wir ihm fei­er­lich in ei­nem
stil­ge­mä­ßen ech­ten Gol­d­rah­men über­reich­ten. Lei­der freu­te es ihn nicht. Er
sieht dar­auf aus wie ein Pfarr­amts­kan­di­dat, und ge­ra­de das will er nicht. Er
will aus­se­hen wie ein dunk­ler Ver­füh­rer und nimmt auch an, daß er so wir­ke –
ein be­mer­kens­wer­tes Bei­spiel von Selbst­täu­schung, wenn man einen Spitz­bauch und
kur­ze, krum­me Bei­ne hat. Aber wer lebt nicht von Selbst­täu­schung? He­ge ich mit
mei­nen harm­lo­sen Durch­schnitts­fä­hig­kei­ten nicht auch noch, be­son­ders abends,
den Traum, ein bes­se­rer Mensch zu wer­den, mit Ta­lent ge­nug, einen Ver­le­ger zu
fin­den? Wer wirft da den ers­ten Stein nach Rie­sen­felds O-Bei­nen, be­son­ders wenn
sie, in die­sen Zei­ten, in echt eng­li­schem Kamm­garn­stoff ste­cken?
    «Was
ma­chen wir nur mit ihm, Ge­org?» sa­ge ich. «Wir ha­ben kei­ne ein­zi­ge At­trak­ti­on!
Mit ein­fa­chem Sau­fen ist Rie­sen­feld nicht zu­frie­den. Er hat zu­viel Phan­ta­sie
da­für und einen zu ru­he­lo­sen Cha­rak­ter. Er will et­was se­hen und hö­ren und, wenn
mög­lich, an­fas­sen. Un­se­re Aus­wahl an Da­men aber ist trost­los. Die paar
hüb­schen, die wir ken­nen, ha­ben kei­ne Lust, sich einen gan­zen Abend Rie­sen­feld
in sei­ner Rol­le als Don Ju­an von 1923 an­zu­hö­ren. Hilfs­be­reit­schaft und
Ver­ständ­nis fin­det man lei­der nur bei häß­li­chen und ält­li­chen Vö­geln.»
    Ge­org
grinst. «Ich weiß nicht ein­mal, ob un­ser Bar­geld für heu­te abend reicht. Als
ich ges­tern den Zas­ter hol­te, ha­be ich mich im Dol­lar­kurs ge­irrt; ich dach­te,
es wä­re noch der von vor­mit­tags. Als der von zwölf Uhr raus­kam, war es zu spät.
Die Bank schließt sonn­abends mit­tags.»
    «Da­für
hat sich heu­te nichts ge­än­dert.»
    «In
der Ro­ten Müh­le schon, mein Sohn. Dort ist man sonn­tags dem Dol­lar­kurs schon um
zwei Ta­ge vor­aus. Weiß Gott, was ei­ne Fla­sche Wein da heu­te abend kos­ten wird!»
    «Gott
weiß das auch nicht», sa­ge ich. «Der Be­sit­zer weiß es ja selbst noch nicht. Er
setzt die Prei­se erst fest, wenn das elek­tri­sche Licht an­geht. Warum liebt
Rie­sen­feld nicht Kunst, Ma­le­rei, Mu­sik oder Li­te­ra­tur? Das käme viel bil­li­ger.
Im Mu­se­um kos­tet der Ein­tritt im­mer noch 250 Mark. Wir könn­ten ihm da­für
stun­den­lang Bil­der und Gips­köp­fe zei­gen. Oder Mu­sik. Heu­te ist ein
volks­tüm­li­ches Or­gel­kon­zert in der Ka­tha­ri­nen­kir­che ...»
    Ge­org
ver­schluckt sich vor La­chen. «Na, schön», er­klä­re ich. «Es ist ab­surd, sich
Rie­sen­feld da­bei vor­zu­stel­len;

Weitere Kostenlose Bücher