E.M. Remarque
eingeladen. Heinrich ist
daraufhereingefallen; er kann nicht widerstehen, wenn er etwas umsonst bekommt,
und trinkt dann, so rasch er kann; außerdem hält er sich, wie jeder nationale
Mann, für einen sehr widerstandsfähigen Zecher. In Wirklichkeit kann er nicht
viel vertragen, und der Rausch holt ihn plötzlich. Ein paar Minuten vorher ist
er noch bereit, die sozialdemokratische Partei allein aus dem Reichstag zu
prügeln – und gleich darauf schnarcht er mit offenem Munde und ist nicht einmal
durch das Kommando: Sprung auf, marsch, marsch! mehr zu erwecken, besonders
wenn er, wie wir das arrangiert haben, vor dem Essen auf leeren Magen den
Schnaps getrunken hat. Er schläft jetzt unschädlich in Wilkes Werkstatt in
einem Sarg aus Eichenholz, weich auf Sägespäne gebettet. In sein Bett haben wir
ihn, aus äußerster Vorsicht, da er darüber erwachen könnte, nicht gebracht.
Wilke aber sitzt eine Etage tiefer im Atelier unseres Bildhauers Kurt Bach und
spielt mit ihm Domino, ein Spiel, das beide lieben, weil es soviel freie Zeit
zum Denken gibt. Dazu trinken sie die eineinviertel Flaschen Schnaps, die nach
Heinrichs Niederlage übriggeblieben sind und die Wilke als Honorar beansprucht
hat.
Die Ladung Granit, die
wir Riesenfeld entreißen wollen, können wir ihm natürlich nicht im voraus
bezahlen. Soviel Geld haben wir nie zusammen, und es wäre auch Irrsinn, es auf
der Bank halten zu wollen – es zerflösse wie Schnee im Juni. Wir wollen
Riesenfeld deshalb einen Wechsel geben, der in drei Monaten fällig ist. Das
heißt, wir wollen fast umsonst kaufen.
Natürlich
kann Riesenfeld dabei nicht der Leidtragende sein. Dieser Hai im Meere
menschlicher Tränen will verdienen wie jeder ehrliche Geschäftsmann. Er muß
deshalb den Wechsel am Tage, an dem er ihn von uns erhält, seiner oder unserer
Bank geben und ihn diskontieren lassen. Die Bank stellt dann fest, daß sowohl
Riesenfeld als auch wir gut für den Betrag sind, auf den er lautet, zieht ein
paar Prozente für die Diskontierung ab und zahlt ihn aus. Wir geben Riesenfeld
die Prozente für die Diskontierung sofort zurück. Er hat damit sein volles Geld
für die Ladung erhalten, als hätten wir es ihm vorausgezahlt. Aber auch die
Bank verliert nichts. Sie gibt den Wechsel sofort an die Reichsbank weiter, die
ihn ihr ebenso auszahlt, wie sie vorher Riesenfeld. Erst bei der Reichsbank bleibt
er liegen, bis er fällig ist und zur Einlösung präsentiert wird. Was er dann
noch wert ist, läßt sich denken.
Wir
kennen alles dieses erst seit 1922. Bis dahin hatten wir gearbeitet wie
Heinrich Kroll und waren darüber fast bankrott gegangen. Als wir beinahe das
gesamte Lager ausverkauft hatten und zu unserm Erstaunen nichts dafür besaßen
als ein wertloses Bankkonto und ein paar Koffer mit Geldscheinen, die nicht
einmal gut genug waren, um unsere Bude damit zu tapezieren, versuchten wir
zuerst, so rasch wir konnten, zu verkaufen und wieder einzukaufen – aber die
Inflation überholte uns dabei mühelos. Es dauerte zu lange, bis wir die
Denkmäler bezahlt bekamen – in der Zwischenzeit fiel das Geld so rasch, daß
selbst der beste Verkauf zum Verlust wurde. Erst als wir anfingen, mit Wechseln
zu zahlen, konnten wir uns halten. Wir verdienen auch jetzt noch nichts
Rechtes; aber wir können wenigstens leben. Da jedes Unternehmen Deutschlands
sich auf diese Weise finanziert, muß die Reichsbank natürlich immer weiter ungedecktes
Geld drucken, und der Kurs fällt dadurch immer schneller. Der Regierung ist das
scheinbar auch recht; sie verliert auf diese Weise alle ihre Landesschulden.
Wer dabei kaputtgeht, sind die Leute, die nicht auf Wechsel kaufen können,
Leute, die etwas Besitz haben und ihn verkaufen müssen, kleine
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