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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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so­wohl als auch für Isa­bel­le. Für mei­ne See­le
ha­be ich ja im­mer noch den Pla­to.
    Der
Alt­städ­ter
Hof ist ei­ne Knei­pe, in der wan­dern­de Ar­tis­ten, Zi­geu­ner und Fuhr­leu­te
ver­keh­ren. Im ers­ten Stock gibt es ein Dut­zend Zim­mer zu ver­mie­ten, und im
Hin­ter­haus be­fin­det sich ein großer Saal mit ei­nem Kla­vier und ei­ner An­zahl
Turn­ge­rä­ten, in dem die Ar­tis­ten ih­re Num­mern üben kön­nen. Das Haupt­ge­schäft
aber ist die Knei­pe. Sie gilt nicht nur als Treff­punkt der Wan­de­rer vom
Va­rie­te; auch die Un­ter­welt der Stadt ver­kehrt hier.
    Ich
öff­ne die Tür zum hin­te­ren Saal. Am Kla­vier steht Renée de la Tour und übt ein
Du­ett. Im Hin­ter­grund dres­siert ein Mann zwei wei­ße Spit­ze und einen Pu­del.
Zwei kräf­ti­ge Frau­en lie­gen auf ei­ner Mat­te und rau­chen, und am Tra­pez, die
Fü­ße zwi­schen die Hän­de un­ter die Stan­ge ge­steckt, den Rücken durch­ge­drückt,
schwingt Ger­da auf mich los wie ei­ne flie­gen­de Ga­li­ons­fi­gur.
    Die
bei­den kräf­ti­gen Frau­en sind im Ba­de­an­zug. Sie rä­keln sich, und ih­re Mus­keln
spie­len. Es sind oh­ne Zwei­fel die Ring­kämp­fe­rin­nen vom Pro­gramm des Alt­städ­ter
Ho­fes. Renée brüllt mir mit erst­klas­si­ger Kom­man­do­stim­me gu­ten Abend zu und
kommt zu mir her­über. Der Dres­seur pfeift. Die Hun­de schla­gen Sal­tos. Ger­da
saust gleich­mä­ßig auf dem Tra­pez hin und zu­rück und er­in­nert mich an den
Au­gen­blick, als sie mich in der Ro­ten Müh­le zwi­schen ih­ren Bei­nen hin­durch
an­sah. Sie trägt ein schwar­zes Tri­kot und um das Haar ein fest­ge­kno­te­tes ro­tes
Tuch.
    «Sie
übt», er­klärt Renée. «Sie will zum Zir­kus zu­rück.»
    «Zum
Zir­kus?» Ich se­he Ger­da mit neu­em In­ter­es­se an.
    «War
sie schon ein­mal beim Zir­kus?»
    «Na­tür­lich.
Da ist sie ja groß ge­wor­den. Aber der Zir­kus ist plei­te ge­gan­gen. Konn­te das
Fleisch für die Lö­wen nicht mehr be­zah­len.»
    «War
sie mit den Lö­wen?»
    Renée
lacht wie ein Feld­we­bel und sieht mich spöt­tisch an. «Das wä­re auf­re­gend, was?
Nein, sie war Akro­ba­tin.»
    Ger­da
saust wie­der über uns hin. Mit star­ren Au­gen sieht sie mich an, als wol­le sie
mich hyp­no­ti­sie­ren. Sie meint mich aber gar nicht; sie starrt nur vor
An­stren­gung.
    «Ist
Wil­ly ei­gent­lich reich?» fragt Renée de la Tour.
    «Ich
glau­be schon. Was man heu­te so reich nennt. Er hat Ge­schäf­te und einen Hau­fen
Ak­ti­en, die je­den Tag stei­gen. Warum?»
    «Ich
ha­be es gern, wenn Män­ner reich sind.» Renée lacht mit ih­rem So­pran. «Je­de Da­me
hat das gern», brüllt sie dann wie auf dem Ka­ser­nen­hof.
    «Das
ha­be ich ge­merkt», er­klä­re ich bit­ter. «Ein rei­cher Schie­ber ist bes­ser als ein
eh­ren­haf­ter är­me­rer An­ge­stell­ter.»
    Renée
schüt­telt sich vor La­chen. «Reich und ehr­lich geht nicht zu­sam­men, Ba­by! Heu­te nicht!
Wahr­schein­lich frü­her auch nie.»
    «Höchs­tens,
wenn man erbt oder das große Los ge­winnt.»
    «Auch
dann nicht. Geld verdirbt den Cha­rak­ter, wis­sen Sie das noch nicht?»
    «Das
weiß ich. Aber wes­halb le­gen Sie so­viel Wert dar­auf?»
    «Weil
ich mir aus Cha­rak­ter nichts ma­che», zirp­te Renée mit ei­ner zim­per­li­chen
Alt­jung­fern­stim­me. «Ich lie­be Kom­fort und Si­cher­heit.»
    Ger­da
saust mit ei­nem per­fek­ten Sal­to auf uns zu. Sie kommt einen hal­b­en Me­ter vor
mir zum Ste­hen, wippt ein paar­mal auf den Ze­hen hin und her und lacht. «Renée
lügt», sagt sie.
    «Hast
du ge­hört, was sie er­zählt hat?»
    «Je­de
Frau lügt», sagt Renée mit En­gels­s­tim­me. «Und wenn sie nicht lügt, ist sie
nichts wert.»
    «Amen»,
er­wi­dert der Hun­de­dres­seur.
    Ger­da
streicht die Haa­re zu­rück. «Ich bin hier fer­tig. War­te, bis ich mich um­ge­zo­gen
ha­be.»
    Sie
geht zu ei­ner Tür, an der ein Schild mit der Auf­schrift «Gar­de­ro­be» hängt.
Renée sieht ihr nach. «Sie ist hübsch», er­klärt sie sach­lich. «Schau­en Sie, wie
sie sich hält. Sie geht rich­tig, das ist die Haupt­sa­che bei ei­ner Frau. Hin­tern
rein, nicht raus. Akro­ba­ten ler­nen das.»
    «Das
ha­be ich schon ein­mal ge­hört», sa­ge ich. «Von ei­nem Frau­en- und

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