Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
Gra­nit­ken­ner.
Wie geht man rich­tig?»
    «Wenn
man das Ge­fühl hat, mit dem Hin­tern ein Fünf­mark­stück fest­zu­hal­ten – und es
dann ver­gißt.»
    Ich
ver­su­che, mir das vor­zu­stel­len. Ich kann es nicht; ich ha­be seit zu lan­ger Zeit
kein Fünf­mark­stück mehr ge­se­hen. Aber ich ken­ne ei­ne Frau, die auf die­se Wei­se
einen mitt­le­ren Na­gel aus der Wand rei­ßen kann. Es ist Frau Beck­mann, die
Freun­din des Schus­ters Karl Brill. Sie ist ein mäch­ti­ges Weib, völ­lig aus
Ei­sen. Karl Brill hat schon man­che Wet­te mit ihr ge­won­nen, und ich ha­be ih­re
Kunst selbst be­wun­dert. Ein Na­gel wird in die Wand der Werk­statt ein­ge­schla­gen,
nicht all­zu­tief na­tür­lich, aber so, daß es ei­nes tüch­ti­gen Ruckes mit der Hand
be­dürf­te, ihn her­aus­zu­rei­ßen. Dann wird Frau Beck­mann ge­weckt. Sie er­scheint
un­ter den Trin­kern in der Werk­statt im leich­ten Mor­gen­rock, ernst, nüch­tern und
sach­lich. Ein biß­chen Wat­te wird um den Na­gel­kopf ge­wun­den, da­mit sie sich
nicht ver­let­zen kann, dann stellt sich Frau Beck­mann hin­ter einen nied­ri­gen
Pa­ra­vant, mit dem Rücken zur Wand, leicht ge­bückt, den Mor­gen­rock züch­tig
um­ge­schla­gen, die Hän­de auf den Pa­ra­vant ge­legt. Sie ma­nö­vriert et­was, um den
Na­gel mit ih­ren Schin­ken zu fas­sen, strafft sich plötz­lich, rich­tet sich auf,
ent­spannt – und der Na­gel fällt auf den Bo­den. Et­was Kalk­staub rie­selt
ge­wöhn­lich hin­ter­her. Frau Beck­mann, wort­los, oh­ne ein Zei­chen von Tri­umph,
dreht sich um, ent­schwin­det die Trep­pe hin­auf, und Karl Brill kas­siert von den
er­staun­ten Ke­gel­brü­dern die Wet­ten ein. Es ist ei­ne streng sport­li­che Sa­che;
nie­mand sieht Frau Beck­manns For­men an­ders als von der rein fach­li­chen Sei­te.
Und nie­mand wagt ein lo­ses Wort dar­über. Sie wür­de ihm ei­ne Ohr­fei­ge kle­ben,
die ihm den Kopf los­ris­se. Sie ist rie­sen­stark; die bei­den Rin­ge­rin­nen sind
blut­ar­me Kin­der ge­gen sie.
    «Al­so,
ma­chen Sie Ger­da glück­lich», sagt Renée la­ko­nisch.
    «Für
vier­zehn Ta­ge. Ein­fach, was?»
    Ich
ste­he et­was ver­le­gen da. Das Va­de­me­kum für gu­ten Ton sieht die­se Si­tua­ti­on
si­cher nicht vor. Zum Glück er­scheint Wil­ly. Er ist ele­gant ge­klei­det, hat
einen leich­ten grau­en Bor­sa­li­no schief auf dem Kopf und wirkt trotz­dem wie ein
Ze­ment­block, der mit künst­li­chen Blu­men be­steckt ist. Mit vor­neh­mer Ges­te küßt
er Renée die Hand; dann greift er in sei­ne Ta­sche und bringt ein klei­nes Etui
her­vor. «Der in­ter­essan­tes­ten Frau in Wer­den­brück», er­klärt er mit ei­ner
Ver­beu­gung.
    Renée
stößt einen So­pran­schrei aus und sieht Wil­ly un­gläu­big an. Dann öff­net sie das
Käst­chen. Ein gol­de­ner Ring mit ei­nem Ame­thyst fun­kelt ihr ent­ge­gen. Sie
schiebt ihn auf ih­ren lin­ken Mit­tel­fin­ger, starrt ihn ent­zückt an und wirft
dann ih­re Ar­me um Wil­ly. Wil­ly steht sehr stolz da und lä­chelt. Er hört sich
das Tril­lern und die Baß­stim­me an; Renée ver­wech­selt sie in der Auf­re­gung al­le
Au­gen­bli­cke. «Wil­ly!» zirpt und don­nert sie. «Ich bin ja so glück­lich!»
    Ger­da
kommt im Ba­de­man­tel aus der Gar­de­ro­be. Sie hat das Ge­schrei ge­hört und will
se­hen, was los ist.
    «Macht
euch fer­tig, Kin­der», sagt Wil­ly. «Wir wol­len hier raus.»
    Die
bei­den Mäd­chen ver­schwin­den. «Hät­test du Kaf­fer Renée den Ring nicht spä­ter
ge­ben kön­nen, wenn ihr al­lein seid?» fra­ge ich. «Was ma­che ich jetzt mit
Ger­da?»
    Wil­ly
bricht in ein gut­mü­ti­ges Ge­läch­ter aus. «Ver­dammt, dar­an ha­be ich nicht
ge­dacht! Was ma­chen wir da wirk­lich? Kommt mit uns es­sen.»
    «Da­mit
wir al­le vier dau­ernd auf Renées Ame­thyst star­ren müs­sen? Aus­ge­schlos­sen.»
    «Hör
zu», er­wi­dert Wil­ly. «Die Sa­che mit Renée und mir ist an­ders als dei­ne mit
Ger­da. Ich bin se­ri­ös. Glau­be es oder nicht: Ich bin ver­rückt nach Renée.
Se­ri­ös ver­rückt. Sie ist ei­ne Prachts­num­mer!»
    Wir
set­zen uns in zwei al­te Rohr­stüh­le an der Wand. Die wei­ßen Spit­ze üben jetzt,
auf den Vor­der­pfo­ten zu ge­hen.
    «Stell
dir vor», er­klärt

Weitere Kostenlose Bücher