E.M. Remarque
Granitkenner.
Wie geht man richtig?»
«Wenn
man das Gefühl hat, mit dem Hintern ein Fünfmarkstück festzuhalten – und es
dann vergißt.»
Ich
versuche, mir das vorzustellen. Ich kann es nicht; ich habe seit zu langer Zeit
kein Fünfmarkstück mehr gesehen. Aber ich kenne eine Frau, die auf diese Weise
einen mittleren Nagel aus der Wand reißen kann. Es ist Frau Beckmann, die
Freundin des Schusters Karl Brill. Sie ist ein mächtiges Weib, völlig aus
Eisen. Karl Brill hat schon manche Wette mit ihr gewonnen, und ich habe ihre
Kunst selbst bewundert. Ein Nagel wird in die Wand der Werkstatt eingeschlagen,
nicht allzutief natürlich, aber so, daß es eines tüchtigen Ruckes mit der Hand
bedürfte, ihn herauszureißen. Dann wird Frau Beckmann geweckt. Sie erscheint
unter den Trinkern in der Werkstatt im leichten Morgenrock, ernst, nüchtern und
sachlich. Ein bißchen Watte wird um den Nagelkopf gewunden, damit sie sich
nicht verletzen kann, dann stellt sich Frau Beckmann hinter einen niedrigen
Paravant, mit dem Rücken zur Wand, leicht gebückt, den Morgenrock züchtig
umgeschlagen, die Hände auf den Paravant gelegt. Sie manövriert etwas, um den
Nagel mit ihren Schinken zu fassen, strafft sich plötzlich, richtet sich auf,
entspannt – und der Nagel fällt auf den Boden. Etwas Kalkstaub rieselt
gewöhnlich hinterher. Frau Beckmann, wortlos, ohne ein Zeichen von Triumph,
dreht sich um, entschwindet die Treppe hinauf, und Karl Brill kassiert von den
erstaunten Kegelbrüdern die Wetten ein. Es ist eine streng sportliche Sache;
niemand sieht Frau Beckmanns Formen anders als von der rein fachlichen Seite.
Und niemand wagt ein loses Wort darüber. Sie würde ihm eine Ohrfeige kleben,
die ihm den Kopf losrisse. Sie ist riesenstark; die beiden Ringerinnen sind
blutarme Kinder gegen sie.
«Also,
machen Sie Gerda glücklich», sagt Renée lakonisch.
«Für
vierzehn Tage. Einfach, was?»
Ich
stehe etwas verlegen da. Das Vademekum für guten Ton sieht diese Situation
sicher nicht vor. Zum Glück erscheint Willy. Er ist elegant gekleidet, hat
einen leichten grauen Borsalino schief auf dem Kopf und wirkt trotzdem wie ein
Zementblock, der mit künstlichen Blumen besteckt ist. Mit vornehmer Geste küßt
er Renée die Hand; dann greift er in seine Tasche und bringt ein kleines Etui
hervor. «Der interessantesten Frau in Werdenbrück», erklärt er mit einer
Verbeugung.
Renée
stößt einen Sopranschrei aus und sieht Willy ungläubig an. Dann öffnet sie das
Kästchen. Ein goldener Ring mit einem Amethyst funkelt ihr entgegen. Sie
schiebt ihn auf ihren linken Mittelfinger, starrt ihn entzückt an und wirft
dann ihre Arme um Willy. Willy steht sehr stolz da und lächelt. Er hört sich
das Trillern und die Baßstimme an; Renée verwechselt sie in der Aufregung alle
Augenblicke. «Willy!» zirpt und donnert sie. «Ich bin ja so glücklich!»
Gerda
kommt im Bademantel aus der Garderobe. Sie hat das Geschrei gehört und will
sehen, was los ist.
«Macht
euch fertig, Kinder», sagt Willy. «Wir wollen hier raus.»
Die
beiden Mädchen verschwinden. «Hättest du Kaffer Renée den Ring nicht später
geben können, wenn ihr allein seid?» frage ich. «Was mache ich jetzt mit
Gerda?»
Willy
bricht in ein gutmütiges Gelächter aus. «Verdammt, daran habe ich nicht
gedacht! Was machen wir da wirklich? Kommt mit uns essen.»
«Damit
wir alle vier dauernd auf Renées Amethyst starren müssen? Ausgeschlossen.»
«Hör
zu», erwidert Willy. «Die Sache mit Renée und mir ist anders als deine mit
Gerda. Ich bin seriös. Glaube es oder nicht: Ich bin verrückt nach Renée.
Seriös verrückt. Sie ist eine Prachtsnummer!»
Wir
setzen uns in zwei alte Rohrstühle an der Wand. Die weißen Spitze üben jetzt,
auf den Vorderpfoten zu gehen.
«Stell
dir vor», erklärt
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