Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
Vom Netzwerk:
Ru­he!»
    «Al­bern­hei­ten?
Sie nen­nen die hei­ligs­ten Ge­füh­le ei­nes Deut­schen Al­bern­hei­ten? Das wer­den Sie
bü­ßen müs­sen! Wo wa­ren Sie im Krie­ge, Sie Drücke­ber­ger?»
    «Im
Schüt­zen­gra­ben», er­wi­dert Ge­org. «Lei­der.»
    «Das
kann je­der sa­gen! Be­wei­se!»
    Wil­ly
steht auf. Er ist ein Rie­se. Die Mu­sik schweigt ge­ra­de. «Be­wei­se?» sagt Wil­ly.
«Hier!» Er lüf­tet ein Bein et­was an, dreht dem Fra­ger leicht den Hin­tern zu,
und ein Ge­räusch wie ein mitt­ler­er Ka­no­nen­schuß er­schallt.
    «Das»,
sagt Wil­ly ab­schlie­ßend, «ist al­les, was ich bei den Preu­ßen ge­lernt ha­be.
Vor­her hat­te ich net­te­re Ma­nie­ren.»
    Der
Füh­rer der Rot­te ist un­will­kür­lich zu­rück­ge­sprun­gen. «Sag­ten Sie nicht
Feig­ling?» fragt Wil­ly und grinst. «Sie schei­nen selbst et­was schreck­haft zu
sein!»
    Der
Wirt ist her­an­ge­kom­men mit drei stäm­mi­gen Kell­nern. «Ru­he, mei­ne Herr­schaf­ten,
ich muß drin­gend bit­ten! Kei­ne Aus­ein­an­der­set­zun­gen im Lo­kal!»
    Die
Ka­pel­le spielt jetzt «Das Schwarz­wald­mä­del». Die Hü­ter der Na­tio­nal­hym­ne zie­hen
sich un­ter dunklen Dro­hun­gen zu­rück. Es ist mög­lich, daß sie drau­ßen über uns
her­fal­len wol­len. Wir schät­zen sie ab; sie hocken in der Nä­he der Tür. Es sind
et­wa zwan­zig. Der Kampf wird ziem­lich aus­sichts­los für uns sein.
    Doch
auf ein­mal kommt un­er­war­tet Hil­fe. Ein ver­trock­ne­ter klei­ner Mann tritt an
un­se­ren Tisch. Es ist Bo­do Le­der­ho­se, ein Händ­ler in Häu­ten und al­tem Ei­sen.
Wir ha­ben mit ihm in Frank­reich ge­le­gen. «Kin­der», sagt er. «Ha­be ge­ra­de
ge­se­hen, was los ist. Bin mit mei­nem Ver­ein hier. Drü­ben hin­ter der Säu­le. Wir
sind ein gu­tes Dut­zend. Wer­den euch hel­fen, wenn die Arsch­ge­sich­ter was wol­len.
Ge­macht?»
    «Ge­macht,
Bo­do. Du bist von Gott ge­sandt wor­den.»
    «Das
nicht. Aber dies ist kein Platz für ver­nünf­ti­ge Leu­te. Wir sind nur für ein
Glas Bier her­ein­ge­kom­men. Lei­der hat der Wirt hier das bes­te Bier in der gan­zen
Stadt. Sonst ist er ein cha­rak­ter­lo­ses Arsch­loch.»
    Ich
fin­de, daß Bo­do ziem­lich weit­geht, in die­sen Zei­ten selbst von ei­nem so
ein­fa­chen mensch­li­chen Or­gan noch Cha­rak­ter zu ver­lan­gen; aber es ist trotz­dem
er­he­bend, ge­ra­de des­we­gen. In fau­len Zei­ten soll man un­mög­li­che An­sprü­che
stel­len.
    «Wir
ge­hen bald», sagt Bo­do noch. «Ihr auch?»
    «So­fort.»
    Wir
zah­len und er­he­ben uns. Be­vor wir an der Tür sind, sind die Hü­ter der
Na­tio­nal­hym­ne be­reits drau­ßen. Sie ha­ben wie durch Zau­ber auf ein­mal Knüp­pel,
Stei­ne und Schlag­rin­ge in den Hän­den. Im Halb­kreis ste­hen sie vor dem Ein­gang.
    Bo­do
ist plötz­lich zwi­schen uns. Er schiebt uns zur Sei­te, und sei­ne zwölf Mann
ge­hen vor uns durch die Tür. Sie blei­ben drau­ßen ste­hen. «Ir­gend­wel­che Wün­sche,
Ihr Rotz­köp­fe?» fragt Bo­do.
    Die
Hü­ter des Rei­ches star­ren uns an. «Feig­lin­ge!» sagt schließ­lich der
Be­fehls­ha­ber, der mit zwan­zig Mann über uns drei her­fal­len woll­te. «Wir wer­den
euch schon noch er­wi­schen!»
    «Si­cher»,
sagt Wil­ly. «Da­für ha­ben wir ein paar Jah­re im Schüt­zen­gra­ben ge­le­gen. Seht
aber zu, daß ihr im­mer drei- oder vier­mal so vie­le seid. Über­macht gibt
Pa­trio­ten Zu­ver­sicht.»
    Wir
ge­hen mit Bo­dos Ver­ein die Große Stra­ße hin­un­ter. Die Ster­ne ste­hen am Him­mel.
In den Lä­den brennt Licht. Manch­mal, wenn man mit Ka­me­ra­den vom Krie­ge zu­sam­men
ist, er­scheint ei­nem das im­mer noch son­der­bar und herr­lich und atem­be­rau­bend
und un­be­greif­lich: daß man so da­hin­schlen­dern kann und frei ist und lebt. Ich
ver­ste­he plötz­lich, was Wer­ni­cke ge­meint hat mit der Dank­bar­keit. Es ist ei­ne
Dank­bar­keit, die sich nicht an je­mand rich­tet – ein­fach die, da­von­ge­kom­men zu
sein für et­was mehr Zeit – denn wirk­lich da­von kommt na­tür­lich kei­ner.
    «Ihr
müßt ein an­de­res Café ha­ben», sagt Bo­do. «Wie ist es mit un­se­rem? Da gibt es
kei­ne sol­chen Brüll­af­fen. Kommt mit, wir zei­gen es euch!»
    Sie
zei­gen es uns.

Weitere Kostenlose Bücher