E.M. Remarque
in
gestreiften Hosen, Radfahrerklammern und einem passend gewählten dunklen
Regenmantel, tritt ein. «Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Ihnen einige Bestellungen
diktiere?» fragt er mit unübertrefflichem Sarkasmus.
«Keineswegs.
Immer los.»
Er
gibt einige Aufträge an. Es sind kleinere Hügelsteine aus rotem Syenit, eine
Marmorplatte, ein paar Grabeinfassungen – der Alltag des Todes, nichts
Besonderes. Nachher steht er noch eine Zeitlang unschlüssig herum, wärmt sich
am kalten Ofen seinen Hintern, betrachtet eine Anzahl Gesteinsproben, die seit
zwanzig Jahren im Büro auf den Regalen liegen, und schießt endlich los: «Wenn
einem derartige Schwierigkeiten gemacht werden, ist es kein Wunder, wenn wir
bald pleite sind!»
Ich
antworte nicht, um ihn zu ärgern.
«Pleite,
sage ich», erklärt er. «Und ich weiß, was ich sage.»
«Wirklich?»
Ich blicke ihn freundlich an. «Wozu dann die Verteidigung? Jeder glaubt es
Ihnen.»
«Verteidigung?
Ich brauche mich nicht zu verteidigen! Aber was da in Wüstringen passiert ist
...»
«Hat
man die Mörder des Tischlers gefunden?»
«Mörder?
Was geht das uns an? Und wer redet bei so was von Mord? Es war ein Unfall. Der
Mann hatte sich das selbst zuzuschreiben! Was ich meine, ist, wie Sie mit dem
Vorsteher Döbbeling dort umgegangen sind! Und dann noch der Witwe des Tischlers
umsonst einen Grabstein anzubieten!»
Ich
drehe mich zum Fenster und blicke in den Regen. Heinrich Kroll gehört zu den
Menschen, die nie einen Zweifel an ihren Anschauungen haben – das macht sie
nicht nur langweilig, sondern auch gefährlich. Sie sind die eherne Masse
unseres geliebten Vaterlandes, mit der man immer wieder in einen Krieg ziehen
kann. Nichts kann sie belehren, sie sind mit den Händen an der Hosennaht
geboren, und sie sind stolz darauf, auch so zu sterben. Ich weiß nicht, ob es
den Typ in anderen Ländern auch gibt – sicher aber nicht in solchen Mengen.
Nach
einer Weile höre ich wieder, was der kleine Dickkopf redet. Er hat also mit dem
Vorsteher eine lange Sitzung gehabt und die Sache bereinigt. Nur seiner
Persönlichkeit ist das zu danken. Wir dürfen wieder Grabsteine nach Wüstringen
liefern.
«Was
sollen wir jetzt tun?» frage ich. «Sie anbeten?»
Er
wirft mir einen giftigen Blick zu. «Passen Sie auf, daß Sie nicht einmal zu
weit gehen!»
«Wie
weit?»
«Zu
weit. Vergessen Sie nicht, daß Sie hier Angestellter sind.»
«Ich
vergesse das dauernd. Sonst müßten Sie mir dreifaches Gehalt zahlen – als
Zeichner, Bürochef und Reklamechef. Im übrigen stehen wir nicht im
militärischen Verhältnis zueinander, sonst müßten Sie vor mir strammstehen. Und
wenn Sie wollen, kann ich ja einmal mit Ihrer Konkurrenz telefonieren –
Hollmann und Klotz nehmen mich sofort.»
Die
Tür öffnet sich, und Georg erscheint in einem fuchsroten Pyjama. «Redest du von
Wüstringen, Heinrich?»
«Wovon
sonst?»
«Dann
geh in den Keller und schäme dich. In Wüstringen ist ein Mensch getötet worden!
Ein Leben ist untergegangen. Eine Welt ist für jemand zerstört worden. Jeder
Mord, jeder Totschlag ist der erste Totschlag der Welt. Kain und Abel, immer
wieder! Wenn du und deine Genossen das einmal begreifen würden, gäbe es nicht
so viel Kriegsgeschrei auf dieser an sich gesegneten Erde!»
«Sklaven
und Knechte gäbe es dann! Kriecher vor dem unmenschlichen Vertrag von
Versailles!»
«Der
Vertrag von Versailles! Natürlich!» Georg tut einen Schritt vorwärts. Der Duft
des Glühweins umschwebt ihn stark. «Hätten wir den Krieg gewonnen, dann hätten
wir unsere Gegner natürlich mit Liebe und Geschenken überhäuft, was? Hast du
vergessen, was du und deine Genossen alles annektieren wollten? Die Ukraine,
Brie, Longwy und das gesamte Erz- und
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