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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Ant­wor­te!»
    Er
greift nach der Fla­sche Korn­schnaps. «Halt!» sa­ge ich. «Es ist noch Wein da.
Ich wer­de ihn so­fort auf dem Spi­ri­tus­ko­cher heiß ma­chen. Kei­nen Schnaps jetzt!
Du hast Fie­ber! Ro­ten, hei­ßen Wein, ge­würzt mit den Spe­ze­rei­en In­diens und der
Sun­da­in­seln!»
    «Gut!
Er­hit­ze ihn! Aber warum sind wir nicht selbst auf den In­seln der Hoff­nung und
schla­fen mit Frau­en, die nach Zimt rie­chen und de­ren Au­gen weiß wer­den, wenn
wir sie un­ter dem süd­li­chen Kreuz be­gat­ten, und die Schreie aus­sto­ßen wie die
Pa­pa­gei­en und die Ti­ger? Ant­wor­te!»
    Die
blaue Flam­me des Spi­ri­tus­ko­chers brennt wie das blaue Licht des Aben­teu­ers im
Halb­dun­kel des Bü­ros. Der Re­gen rauscht wie das Meer. «Wir sind auf dem Weg,
Ka­pi­tän», sa­ge ich und neh­me einen ge­wal­ti­gen Zug Korn­schnaps, um Ge­org
nach­zu­kom­men. «Die Ka­ra­vel­le pas­siert ge­ra­de San­ta Cruz, Lissa­bon und die
Gold­küs­te. Die Skla­vin­nen des Ara­bers Mo­ham­med ben Hassan ben Wat­zek star­ren
aus ih­ren Ka­jü­ten und win­ken. Hier ist Eu­re Was­ser­pfei­fe!»
    Ich
rei­che Ge­org ei­ne Zi­gar­re aus der Kis­te für die bes­ten Agen­ten. Er ent­zün­det
sie und bläst ein paar ta­del­lo­se Rauch­rin­ge. Sein Py­ja­ma zeigt dunkle
Was­ser­fle­cke. «Auf dem We­ge», sagt er. «Warum sind wir noch nicht da?»
    «Wir
sind da. Man ist im­mer und über­all da. Zeit ist ein Vor­ur­teil. Das ist das
Ge­heim­nis des Le­bens. Man weiß es nur nicht. Man be­müht sich im­mer, ir­gend­wo
an­zu­kom­men!»
    «Warum
weiß man es nicht?» fragt Ge­org.
    «Zeit,
Raum und das Kau­sal­ge­setz sind der Schlei­er der Ma­ja, der die freie Sicht
be­hin­dert.»
    «Warum?»
    «Sie
sind die Peit­schen, mit de­nen Gott ver­hin­dert, daß wir ihm gleich wer­den. Er jagt
uns mit ih­nen durch ein Pan­ora­ma von Il­lu­sio­nen und durch die Tra­gö­die der
Dua­li­tät.»
    «Wel­cher
Dua­li­tät?»
    «Der
von Ich und Welt. Von Sein und Le­ben. Ob­jekt und Sub­jekt sind nicht mehr eins.
Ge­burt und Tod sind die Fol­gen. Die Ket­te klirrt. Wer sie zer­reißt, zer­reißt
auch Ge­burt und Tod. Laßt es uns ver­su­chen, Rab­bi Kroll!»
    Der
Wein dampft. Er riecht nach Ge­würz­nel­ken und Zi­tro­nen. Ich ge­be Zu­cker hin­ein,
und wir trin­ken. Bei­fall kommt aus der Ka­bi­ne des Skla­ven­schif­fes Mo­ham­med ben
Hassan ben Jus­suf ben Wat­zek auf der an­de­ren Sei­te des Gol­fes. Wir ver­nei­gen
uns und set­zen die Glä­ser nie­der. «Wir sind al­so un­s­terb­lich?» fragt Ge­org kurz
und un­ge­dul­dig.
    «Nur
hy­po­the­tisch», er­wi­de­re ich. «In der Theo­rie – denn un­s­terb­lich ist der
Ge­gen­satz zu sterb­lich – al­so be­reits ei­ne Dua­li­täts­hälf­te. Erst wenn der
Schlei­er der Ma­ja völ­lig reißt, geht die Dua­li­tät zum Teu­fel. Dann ist man
heim­ge­kehrt, nicht mehr Ob­jekt und Sub­jekt, son­dern bei­des in ei­nem, und al­le
Fra­gen ster­ben.»
    «Das
ist nicht ge­nug!»
    «Was
gibt es wei­ter?»
    «Man
ist. Punkt.»
    «Auch
das ist der Teil ei­nes Paa­res: Man ist, man ist nicht. Im­mer noch Dua­li­tät,
Ka­pi­tän! Wir müs­sen dar­über hin­aus!»
    «Wie?
Wenn wir die Schnau­ze auf­ma­chen, ha­ben wir so­fort wie­der den Teil ei­nes an­de­ren
Paa­res am Wi­ckel. Das geht nicht so wei­ter! Sol­len wir stumm durchs Le­ben
ge­hen?»
    «Das
wä­re der Ge­gen­satz zu nicht-stumm.»
    «Ver­flucht!
Wie­der ei­ne Fal­le! Was tun, Steu­er­mann?»
    Ich
schwei­ge und he­be das Glas hoch. Rot leuch­tet der Re­flex des Wei­nes. Ich zei­ge
auf den Re­gen und he­be ein Stück Gra­nit von den Ge­steins­pro­ben hoch. Dann zei­ge
ich auf Li­sa, auf den Re­flex im Gla­se, das Flüch­tigs­te der Welt, auf den
Gra­nit, das Be­stän­digs­te der Welt, stel­le das Glas und den Gra­nit fort und
schlie­ße die Au­gen. Et­was wie ein Schau­er läuft mir bei all dem Ho­kus­po­kus
plötz­lich den Rücken ent­lang. Sind wir viel­leicht un­wis­sent­lich auf ei­ne Spur
ge­ra­ten? Ha­ben wir im Suff einen ma­gi­schen Schlüs­sel er­wi­scht? Wo ist auf
ein­mal das Zim­mer? Treibt es im Uni­ver­sum? Wo ist die Welt? Pas­siert sie ge­ra­de
die Ple­ja­den? Und wo ist der ro­te Re­flex des Her­zens? Ist er

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