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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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Eisen Geld, in Schweden aus Kupfer; wir verwenden dazu Gold und Silber.
    Wegen der Leichtigkeit ihres Transportes sind die Metalle allgemein als Tauschmittel gewählt worden, und um sich beim Tausche das jedesmalige Messen oder Abwägen zu ersparen, hat man sie zu Münzen ausgeprägt; denn in dem Gepräge der Münzen ist gleichsam nur eine Bescheinigung ausgesprochen, daß das in vorliegender Form ausgeprägte Stück das vereinbarte Gewicht wirklich besitzt. Das Münzrecht steht nur dem Fürsten zu, da er allein zu verlangen das Recht hat, daß sein Zeugniß unter einem ganzen Volke keinem Zweifel unterliegt.
    Auch der Beschränkteste wird den Nutzen dieser Erfindung einsehen, wenn er ihm in der angegebenen Weise erklärt wird. Es ist außerordentlich schwierig, Dinge von ganz verschiedener Natur, z.B. Tuch und Getreide, unmittelbar mit einander zu vergleichen; sobald man jedoch ein gemeinsames Maß, wie das Geld, gefunden hat, so fällt es dem Fabrikanten wie dem Landmanne leicht, den Werth der Gegenstände, die sie eintauschen wollen, nach diesem gemeinsamen Maße zu berechnen. Kostet eine gewisse Ellenzahl Tuch eine gewisse Summe Geldes, und gilt wiederum eine bestimmte Quantität Getreide eben so viel, so läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß der Kaufmann, welcher dies Getreide für sein Tuch in Empfang nimmt, einen dem wirklichen Werthe entsprechenden Tausch macht. Vermittelst des Geldes werden auf diese Weise die verschiedenartigsten Güter meßbare Größen und können mit einander verglichen werden.

    Ueber diesen Punkt geht jedoch nicht hinaus, und laßt euch namentlich nicht auf eine Auseinandersetzung der moralischen Wirkungen dieser Einrichtung ein. Bei jeder Sache ist es von Belang, erst ihren Gebrauch zu erklären, ehe man auf ihren Mißbrauch aufmerksam macht. Wenn ihr im Sinne habt, den Kindern zu erläutern, wie die Werthzeichen die Ursache gewesen sind, daß den Sachen selber eine geringere Beachtung geschenkt wird, wie das Geld die Schuld an allen wunderlichen Einbildungen trägt, wie die an Geld reichen Länder an allem Uebrigen arm sein müssen, so würdet ihr diese Kinder nicht allein als Philosophen, sondern auch als Weise behandeln, und euch zutrauen, ihnen Dinge faßlich zu machen, die sogar wenige Philosophen verstanden haben.
    Auf welche Fülle interessanter Gegenstände läßt sich doch die Wißbegierde eines Zöglings lenken, ohne daß man Gefahr läuft, die wirklichen und materiellen Verhältnisse, die ihm verständlich sind, verlassen oder gestatten zu müssen, daß sich in seinem Geiste auch nur eine einzige verworrene Vorstellung bilde! Die Kunst des Lehrers muß sich darin zeigen, daß er sich bei seinen Betrachtungen niemals in unwesentlichen Kleinigkeiten erschöpft, sondern daß er seinen Schüler beständig in den Mittelpunkt großer Verhältnisse versetzt, von denen er einst Kenntniß haben muß, um sich über gute oder schlechte Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft ein richtiges Urtheil bilden zu können. Dem Lehrer darf auch die Kunst nicht fehlen, die Gespräche, mit denen er das Kind unterhält, der Geistesrichtung anzupassen, die er ihm gegeben hat. Manche Frage, die die Aufmerksamkeit eines Andern nicht einmal oberflächlich berührt haben würde, wird meinen Emil ein halbes Jahr quälen.
    Wir haben von einer reichen Familie eine Einladung zu Tische erhalten. Derselben Folge leistend, finden wir Vorbereitungen zu einem Festmahle, viel Gäste, eine zahlreiche Dienerschaft, eine Menge Schüsseln, elegantes und feines Tafelgeräth. Alle diese Anstalten, um uns durch ein glänzendes Fest Freude und Genuß zu bereiten, haben etwas Berauschendes, das Jemandem, welcher an dergleichen nicht gewöhnt ist, wol zu Kopfe steigen kann. Ichsehe voraus, welche Wirkung dies Alles auf meinen jungen Zögling ausüben wird. Während sich nun die Mahlzeit in die Länge zieht, während ein Gang nach dem andern folgt, während rings an der Tafel tausenderlei lärmende Gespräche geführt werden, nähere ich mich seinem Ohre und sage leise zu ihm: »Was denkst du wol? Durch wie viele Hände mag dies Alles, was du auf der Tafel siehst, gegangen sein, ehe es dieselbe schmücken konnte?« Welch eine Menge von Ideen rufe ich durch diese wenigen Worte in ihm wach! Augenblicklich sind alle nebelhaften Dünste seiner begeisterten Aufregung verscheucht. Er grübelt, denkt nach, berechnet und wird unruhig. Während die Philosophen, die sich durch den Wein und vielleicht auch durch ihre

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