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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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vermögen und gezwungen sein, bei uns erst in die Schule zu gehen.«
    Lieber Leser, halte dich hier nicht dabei auf, dir die körperlichen Uebungen und die Geschicklichkeit der Hände unseres Zöglings zu betrachten, sondern bringe in Anschlag, welche Richtung wir seiner kindlichen Wißbegierde geben, berücksichtige seinen Verstand, seinen erfinderischen Geist, seine Voraussicht; überlege, was für einen Kopf wir aus ihm machen wollen. Bei Allem, was er sieht, bei Allem, was er thut, wird er stets Alles bis ins Kleinste wissen und den Grund von Allem erfahren wollen. Er wird von Werkzeug zu Werkzeug bis auf das erste zurückgehen wollen. Nichts wird er auf bloße Voraussetzung hin annehmen. Er würde unweigerlich die Erwerbung von Kenntnissen ablehnen, die Vorkenntnisse voraussetzten, welche ihm fehlten. Wenn er eine Stahlfeder verfertigen sieht, so wird er wissen wollen, wie der Stahl aus dem Bergwerke gewonnen wird; sieht er, wie eine Kiste aus den einzelnen Stücken zusammengesetzt wird, so wird er wieder wissen wollen, wie der Baum gefällt worden ist; arbeitet er selbst, so wird er nicht unterlassen, sich bei jedem Werkzeuge, dessen er sich bedient, zu fragen: »Wie müßte ich es anfangen, um mir, falls ich dieses Werkzeug nicht hätte, ein ähnliches zu machen, oder um ohne dasselbe auszukommen?«
    Ein für den Lehrer schwer zu vermeidender Irrthum besteht übrigens darin, daß er bei solchen Beschäftigungen, für die er sich selbst in hohem Grade interessirt, nur zu häufig auch bei dem Kinde die gleiche Vorliebe voraussetzt. Seid ja auf eurer Hut, daß sich dasselbe nicht etwa, während euch die Freude an der Arbeit mit fortreißt, inzwischen langweile, ohne daß es wagt, euch dies bemerkbar zu machen. Das Kind muß ganz bei der Sache, ihr aber müßt ganz bei dem Kinde sein, müßt es beobachten, müßt es, ohne daß es auffällig wird, unablässig belauschen, alleseine Empfindungen im Voraus ahnen und es von denen, die es nicht haben soll, ablenken, kurz, ihr müßt es derart beschäftigen, daß es nicht allein fühlt, es sei bei der Arbeit von Nutzen, sondern daß es auch an derselben Gefallen habe, weil es genau einsieht, wozu das, was es thut, dienlich ist.
    Die Genossenschaft der Künste besteht in dem Austausch der gewerblichen Erzeugnisse, die Genossenschaft des Handels im Austausch der Waaren und die der Banken im Austausch von Werthzeichen und Geld. Alle diese Ideen stehen mit einander im Einklange, und die Elementarbegriffe sind schon gewonnen. Den Grund zu alledem haben wir mit Hilfe des Gärtners Robert schon in Emils frühester Jugend gelegt. Jetzt bleibt uns nur noch übrig, diese nämlichen Begriffe zu verallgemeinern und auf mehr Beispiele auszudehnen, um ihm den Handel an sich begreiflich zu machen. Wird er nun noch mit Einzelheiten aus der Naturgeschichte, die sich auf die einem jeden Lande eigenthümlichen Producte beziehen, und mit Einzelheiten aus dem Gebiete der Künste und Wissenschaften, welche die Schifffahrt betreffen, bekannt gemacht, schildert man ihm auch endlich noch die größeren oder geringeren Schwierigkeiten des Transportes, die durch die Lage der Länder, Meere, Flüsse u. s. w. bedingt werden, so ist ihm damit ein völlig anschauliches Bild gegeben.
    Keine Genossenschaft kann ohne Austausch, kein Austausch ohne gemeinsames Maß und kein gemeinsames Maß ohne Gleichheit bestehen. Das erste Gesetz in jeder gesellschaftlichen Vereinigung muß deshalb irgend eine, auf dem allgemeinen Uebereinkommen beruhende oder conventionelle Gleichheit sein, gleichviel, ob in Bezug auf die Menschen oder in Bezug auf die Dinge.
    Die conventionelle Gleichheit unter den Menschen, die sich von der natürlichen Gleichheit wesentlich unterscheidet, macht das positive Recht nothwendig, d. h. Regierung und Gesetze. Die politischen Kenntnisse eines Kindes müssen klar und begrenzt sein. Deshalb darf es hinsichtlich der Regierung im Allgemeinen nur über das belehrt werden,was sich auf das Eigentumsrecht, wovon es ja bereits einen gewissen Begriff hat, bezieht.
    Die conventionelle Gleichheit unter den Dingen ist die Veranlassung zur Erfindung des Geldes gewesen, denn das Geld ist nur ein Begriff zur Vergleichung des Werthes verschiedenartiger Dinge, und in diesem Sinne ist das Geld das wahre Band der Gesellschaft. Indeß kann Alles als Geld dienen. Ehemals galt das Vieh als solches, und noch heutigen Tages spielen Muschelschalen bei mehreren Völkern die Rolle desselben. In Sparta schlug man aus

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