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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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daß sie keinen Nutzen gewährt, schädlich, weil sie sich Zeit, Menschen und Dinge ohne allen Erfolg dienstbar macht. Nicht allein muß man die Zeit, welche man mit der leiblichen Erhaltung des Lebens verschwendet, die deshalb für den Genuß und die Anwendung desselben verloren ist, von der ganzen Lebensdauer in Abzug bringen, sondern sie ist sogar, da sie nur zu unserer Qual angewendet wird, noch schlimmer, als wenn sie gar nicht dagewesen wäre, sie ist geradezu negativ, und will man bei der Rechnung billig verfahren, so muß man sie eigentlich auch noch von unserem Lebensreste abziehen. Ein Mensch, welcher zehn Jahre der Aerzte nicht bedarf, lebt sowol für sich als auch für Andere länger als derjenige,der dreißig Jahre seines Lebens ihr Opfer ist. Da ich beide Zustände aus eigener Erfahrung kenne, so halte ich mich mehr als sonst irgend Jemand für berechtigt, obigen Schluß daraus zu ziehen.
    Das sind die Gründe, aus denen ich nur einen kräftigen und gesunden Zögling will, und die Grundsätze, durch deren Anwendung ich ihn so zu erhalten gedenke. Ich werde mich nicht dabei aufhalten, erst weitläuftig den Nutzen der Handarbeiten und der körperlichen Uebungen für die Kräftigung des Körpers, die Entwickelung des Charakters und die Gesundheit zu beweisen; Niemand stellt ihn in Abrede; Beispiele eines langen Lebens finden sich fast nur bei solchen Menschen, die sich am meisten Bewegung gemacht, am meisten Anstrengung und Arbeit ertragen haben. [21]
    Eben so wenig werde ich mich umständlich auf Einzelheiten hinsichtlich der Sorgfalt einlassen, die ich einzig und allein auf diesen Gegenstand zu verwenden gedenke. Man wird sehen, daß dieselben von meiner Methode untrennbar sind, so daß man, hat man nur erst den Geist erfaßt, keiner anderen Erklärung bedarf.
    Gleichzeitig mit dem Leben beginnen die Bedürfnisse. Das neugeborene Kind muß eine Amme haben. Wenn die Mutter damit einverstanden ist, selbst ihre Pflicht zu erfüllen, desto besser, nur wird man ihr dann schriftlicheAnleitung geben müssen, denn diesem Vorteil wird dadurch die Wage gehalten, daß er den Erzieher in etwas größerer Entfernung von seinem Zöglinge hält. Indeß läßt sich annehmen, daß das Wohl des Kindes, sowie die Achtung vor demjenigen, dem sie ein so theures Gut anvertrauen will, die Mutter bewegen werden, den Rath des Lehrers zu beachten, und außerdem kann man mit Sicherheit voraussetzen, daß sie ihre gefaßten Pläne auch besser als jede andere ausführen wird. Ist aber eine fremde Amme einmal nöthig, so ist eine glückliche Wahl derselben die erste Hauptsache.

    Zu den Unannehmlichkeiten, welchen reiche Leute ausgesetzt sind, gehört besonders der Umstand, daß sie bei Allem betrogen werden. Darf man sich daher wundern, wenn sie eine schlechte Meinung von den Menschen haben? Der Reichthum verdirbt sie, und als gerechte Vergeltung fühlen grade sie zuerst die Unvollkommenheit des einzigen Werkzeugs, welches ihnen bekannt ist. Was sie nicht selbst thun, wird bei ihnen Alles schlecht ausgeführt; leider thun sie fast nie etwas. Die Auswahl einer Amme überläßt man dem Geburtshelfer. Was ist die Folge davon? Daß stets die für die beste gilt, welche demselben den größten Vortheil zugewandt hat. Ich werde mir deshalb wegen Emils Amme bei keinem Geburtshelfer Rath einholen; ich werde mich der Mühe, sie auszusuchen, selbst unterziehen. Freilich werde ich vielleicht die Gründe, welche mich zu meiner Wahl bestimmt haben, nicht so beredt wie ein Arzt entwickeln können, aber sicherlich kann ich mehr Treu und Glauben für mich beanspruchen, und mein Eifer wird mich weniger täuschen als seine Habsucht.
    Um eine solche Wahl treffen zu können, braucht man sich keineswegs erst einen Schatz geheimnißvoller Kenntnisse angeeignet zu haben; die Regeln dazu sind bekannt; indeß weiß ich nicht, ob man nicht dem Alter so wie der Beschaffenheit der Milch noch ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Die junge Milch der Wöchnerin ist noch völlig wässerig; sie muß beinahe eine auflösende und abführende Kraft besitzen, um die Eingeweide des neugeborenen Kindes von dem letzten Rest des zähen meconium zu reinigen. Nach und nach nimmt sie an Dichtigkeit zu und gibt dem Kinde, dessen Verdauungsvermögen schon stärker geworden ist, eine kräftigere Nahrung. Gewiß verändert die Natur nicht ohne Ursache bei den Weibchen aller Thiergattungen die Dichtigkeit der Milch nach dem Alter des Säuglings.
    Ein neugeborenes Kind

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