Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
als sollten wir ewig leben, wenig Anklang. Für mich würde jedoch ein ganz anderer Grund den Ausschlag geben, um dieselbe Wirkung hervorzubringen. Ließe ich mich an einem Orte nieder und richtete mich daselbst mit so großem Aufwande ein, so würde es mir vorkommen, als verbannte ich mich dadurch von allen anderen und lebte in meinem Palaste gleichsam hinter verschlossenen Thüren. Einen wieschönen Palast bildet doch die Welt! Gehört dem Reichen eigentlich nicht Alles, wenn er es nur genießen will? Ubi bene, ibi patria (wo es mir wohl geht, da ist mein Vaterland); das ist sein Wahlspruch. Dort schlägt er seinen Herd auf, wo sein Geld Alles vermag; seine Heimat reicht so weit, wie seine Geldkiste gelangen kann, gleich wie Philipp jede Festung schon für erobert hielt, in welche ein mit Geldsäcken beladenes Maulthier eindringen konnte. [65] Weshalb sich also zwischen Mauern und Thüren einschließen, als ob man sich in der Welt nie wieder bücken lassen wollte? Verjagt mich eine ansteckende Krankheit, ein Krieg oder ein Aufruhr von einem Orte, so begebe ich mich nach einem andern und finde mein Haus schon vor mir daselbst angekommen. Weshalb soll ich mich erst der Mühe unterziehen, mir selbst eins zu bauen, da sich über den ganzen Erdboden hin die Bautätigkeit für mich regt? Weshalb sollte ich mir, da uns Eile Noth thut zu leben, schon so lange im Voraus Genüsse vorbereiten, die ich schon heute zu befriedigen vermag? Vergeblich ist jedes Bemühen, sich ein angenehmes Loos zu bereiten, wenn man sich unaufhörlichen Widerspruch mit sich selbst setzt. Deshalb tadelte Empedokles die Argentiner, daß sie sich von einem Vergnügen in das andere stürzten, und bauten, als ob sie niemals sterben würden. [66]
    Welchen Nutzen würde mir übrigens eine so weitläufige Wohnung gewähren, da ich mich nur mit so wenigen Leuten, mit denen ich sie beleben könnte, zu umgeben gedenke, und noch weniger Sachen zu ihrer Ausstattung anschaffen würde. Mein Hausgeräth würde einfach sein, wie mein Geschmack; ich würde mir weder eine Gemäldesammlung noch eine Bibliothek anlegen, zumal wenn ich die Lectüre liebte und Verständniß für die Malerei besäße. Ich würde dann die Einsicht haben, daß dergleichen Sammlungen nie Anspruch auf Vollständigkeit machen können, und daß wir über den Mangel dessen, was uns fehlt,mehr Verdruß empfinden, als darüber, daß wir gar nichts besitzen. Auf diesem Gebiete ruft gerade der Ueberfluß Elend hervor. Es möchte sich schwerlich ein Sammler finden, der dies nicht erfahren hätte. Wer ein wirklicher Kenner ist, darf sich keine Sammlung anlegen. Man wird nicht leicht eine Sammlung haben, um sie Anderen zu zeigen, wenn man sie für sich selbst zu benutzen versteht.
    Für einen reichen Mann ist das Spiel durchaus kein Zeitvertreib; nur ein Tagedieb greift nach diesem Unterhaltungsmittel. Meine Lustbarkeiten würden mir viel zu viel Beschäftigung geben, um mir viel Zeit zu lassen, für die es keine bessere Verwendung gäbe. In der Verlassenheit und Armuth, in der ich lebe, spiele ich gar nicht, außer hin und wieder eine Partie Schach, und das ist schon zu viel. Wäre ich indeß reich, so würde ich noch weniger spielen, und zwar nur zu einem ganz niedrigen Einsatze, damit ich weder anzusehen brauchte, daß irgend Jemand mißmüthig wäre, noch ich selbst es würde. Da die Gewinnsucht für einen Reichen unmöglich einen Antrieb zum Spiele bilden kann, so kann das Interesse am Spiel auch nur bei einer schon tief gesunkenen Seele bis zur Leidenschaft ausarten. Der Gewinn, welchen ein Reicher beim Spiele machen kann, übt stets weniger Eindruck auf ihn aus, als der Verlust, und da bei der Art der mäßig hohen Spiele, bei welchen der etwaige Gewinn auf die Länge der Zeit doch wieder zugesetzt wird, der Verlust den Gewinn im Allgemeinen übertrifft, so kann man sich bei richtiger Ueberlegung nicht allzu sehr zu einem Zeitvertreibe hingezogen fühlen, bei dem das Risico nicht unbedeutend ist. Wem es zur Befriedigung seiner Eitelkeit dient, daß ihm das Glück günstig ist, der kann eine gleiche Gunst des Glückes bei weit reizenderen Gegenständen suchen; auch tritt diese Gunst in dem niedrigsten Spiele eben so wie im höchsten hervor. Geschmack am Spiele, der lediglich die Frucht des Geizes und der Langenweile ist, kann nur in einem leeren Geiste und leeren Herzen Wurzel fassen, und ich denke doch Gefühl und Kenntnisse genug zu besitzen, um eine solche Beihilfe nicht nöthig zu haben.

Weitere Kostenlose Bücher