Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
Annehmlichkeiten einer jeden erfreuen, ohne mich um den Genuß der nachfolgenden zu bringen. Es verursacht Mühe, gewährt aber keinen Genuß, die Ordnung der Natur in dieser Weise zu stören, ihr unfreiwillige Gaben abzudringen, die sie nur ungern und unter Verwünschungen gegen den Empfänger gibt, und die, da es ihnen an Güte und Geschmack fehlt, weder den Magen ernähren noch den Gaumen kitzeln können. Nichts ist unschmackhafter als Treibhausfrüchte. Nur unter großen Kosten bringt es der Reiche in Paris mit Hilfe seiner Oefen undGlashäuser dahin, daß es ihm das ganze Jahr hindurch nicht an schlechten Gemüsen und schlechtem Obste auf seiner Tafel fehlt. Hätte ich auch Kirschen, wenn es friert, und duftende Melonen mitten im Winter, welchen Genuß könnte ich davon haben, da mein Gaumen keiner Erquickung oder Erfrischung bedarf? Würde mir wol in der Hitze der Hundstage die saftlose Marone Labung gewähren? Würde ich sie wol, wenn sie so eben aus der Pfanne kommt, der Johannisbeere, der Erdbeere und all den Durst löschenden Früchten vorziehen, die sich mir mühelos überall auf Erden darbieten? Mitten im Monat Januar seinen Kamin mit einer der Natur nur gewaltsam abgerungenen Vegetation, mit bleichen, geruchlosen Blumen bedecken, heißt weniger den Winter schmücken, als den Frühling seines Schmuckes berauben, heißt, sich selber um das Vergnügen bringen, im Walde das erste Veilchen zu suchen, die erste Knospe zu entdecken und voller Wonne auszurufen: »Sterbliche, ihr seid nicht verlassen, die Natur lebt noch!«

    Um gut bedient zu werden, würde ich mich mit weniger Dienerschaft umgeben. Das ist zwar schon einmal gesagt worden, aber es schadet nicht, es zu wiederholen. Ein Bürger wird von seinem einzigen Diener in Wirklichkeit besser bedient, als ein Herzog von den zehn Herren, die ihn dienstfertig umringen. Ich habe schon hundertmal bei mir überlegt, daß ich bei Tische, mit meinem Glase neben mir, trinken kann, so oft es mir gefällt, während am einer großen Tafel erst zwanzig Stimmen meinen Befehl weiter befördern müßten, bevor ich meinen Durst zu stillen vermöchte. Alles, was man durch Andere ausrichten läßt, wird mangelhaft ausgeführt, möge man es anstellen, wie man will. Ich würde nicht zu den Kaufleuten schicken, sondern selbst zu ihnen gehen. Ich würde diesen Schritt thun, damit meine Leute nicht vor mir mit ihnen ein Abkommen treffen könnten, damit mir möglich wäre, eine bessere Auswahl zu treffen und billiger einzukaufen. Ich würde selbst gehen, um mir eine angenehme Bewegung zu machen, um ein wenig Umschau zu halten und zu sehen, was außerhalb meiner vier Pfähle vorgeht. Dies dient zur Erholung und kann auch bisweilen belehrend sein.
    Endlich würde ich gehen, um zu gehen, und das ist doch auch immer etwas. Bei einem allzu eingezogenen Leben beginnt sich die Langeweile zu regen; macht man sich dagegen viel Bewegung, so empfindet man wenig Langeweile. Thürsteher und Lakaien sind schlechte Dolmetscher. Ich wünschte wahrlich nicht, daß diese Leute die stete Vermittlung zwischen mir und der übrigen Welt bildeten. Eben so wenig möchte ich immer in rasselnder Kutsche einherfahren, als ob ich befürchtete, angeredet zu werden. Die Pferde eines Menschen, der sich seiner eigenen Beine bedient, sind stets bereit. Sind sie ermüdet oder krank, so weiß er es eher als jeder Andere, und braucht nicht zu besorgen, daß er unter diesem Vorwande das Haus hüten muß, wenn es seinem Kutscher einmal einfällt, sich einen guten Tag zu machen. Unterwegs stellen sich ihm nicht tausenderlei Hindernisse entgegen, daß er vor Ungeduld vergehen möchte, und nöthigen ihn nicht, in dem Augenblick, wo er sich Flügel wünschte, still zu halten. Kurz, wenn uns Niemand so gut bedient als wir selbst, so sollten wir uns auch, und wären wir mächtiger als Alexander und reicher als Crösus, von Anderen nur solche Dienste erweisen lassen, die wir selbst nicht verrichten können.
    Ich möchte als Wohnung keinen Palast haben, denn in diesem Palaste würde ich doch nur ein einziges Zimmer bewohnen. Jedes gemeinschaftliche Gemach gehört Niemandem, und das Zimmer eines Jeden meiner Leute würde mir gerade eben so fremd sein wie das meines Nachbars. Trotz ihrer großen Ueppigkeit haben die Orientalen doch nur höchst einfache Wohnungen und Hausgeräthe. Sie betrachten das Leben als eine Reise und ihr Haus als eine Herberge. Dieser Grund findet bei uns abendländischen Reichen, die wir uns einrichten,

Weitere Kostenlose Bücher