Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
durchaus nicht leiden, daß sich auch die Schwestern seiner Wäsche bedienten. Bisher hatte man ihnen dieselbe gezeichnet, nun unterließ man es. So mußte die Kleine dies also von jetzt ab selbst lernen. Das Uebrige ergab sich nun von selbst.
    Deshalb rechtfertige man stets die Dienstleistungen, die man von jungen Mädchen fordert, aber man beschäftige sie auch stets. Müßiggang und Eigensinn sind für sie die beiden schlimmsten Fehler, die man am allerschwersten auszurotten vermag, sobald man sie erst hat einwurzeln lassen. Mädchen müssen sorgsam und arbeitsam sein. Das ist indeß noch nicht Alles, sie müssen sich auch zeitig fügen lernen. Ein gewisser Zwang ist von ihrem Geschlechte unzertrennlich, und wenn sie sich demselben entziehen wollen, so werden sie es einst bitter bereuen. So sind sie z.B. ihr ganzes Leben einem beständigen und sehr strengen Zwange unterworfen, nämlich dem der Wohlanständigkeit. Sie müssen deshalb schon früh an diesen Zwang gewöhnt werden, damit sie sich leicht in denselben finden lernen:man muß sie bei Zeiten anhalten, ihre Launen zu beherrschen, um sie dem Willen Anderer unterwerfen zu können. Hätten sie Lust, fortwährend zu arbeiten, so müßte man sie zwingen, sich Erholung zu gönnen. Zerstreutheit, Leichtfertigkeit und Unbeständigkeit sind Fehler, die sich leicht daraus entwickeln, daß man seine Lieblingsneigungen eine verkehrte Richtung einschlagen und sich beständig von ihnen leiten läßt. Will man dieser Verirrung vorbeugen, so gewöhne man sie vor Allem daran, sich selbst zu beherrschen. Deshalb ist das Leben einer ehrbaren Frau bei den vielen verkehrten Einrichtungen unserer Zeit fast ein beständiger Kampf mit sich selbst. Doch ist es nur billig, daß dies Geschlecht auch seinen Antheil an den Leiden trage, die es uns bereitet hat.
    Man verhindere, daß sich die Mädchen bei ihren Beschäftigungen langweilen und ihren Vergnügungen mit zu großer Leidenschaft hingeben, wie dies bei der gewöhnlichen Erziehung fast regelmäßig zu geschehen pflegt. Hier trägt, wie Fénélon sagt, der eine Theil alle Langeweile, der andere alles Vergnügen. Die genaue Beobachtung der obigen Regeln vorausgesetzt, wird der erste dieser beiden Uebelstände nur dann hervortreten, wenn die Personen, von denen das Kind umgeben ist, ihm mißfallen. Ein kleines Mädchen, das seine Mutter oder seine Erzieherin liebt, wird den ganzen Tag an ihrer Seite arbeiten, ohne Langeweile zu empfinden; schon das bloße Plaudern entschädigt es für allen Zwang. Wenn es Jene indeß nicht leiden kann, wird es Alles mit Unlust thun, wozu es unter deren Augen angehalten wird. Es ist sehr schwer, daß die Mädchen gut gerathen, denen die Mutter nicht über Alles geht. Freilich, um ihre wahren Gefühle richtig beurtheilen zu können, muß man sie genauer beobachten und sich nicht allein auf das verlassen, was sie sagen, denn sie sind Schmeichelkätzchen, listig und lieben schon frühzeitig die Verstellung. Auch darf man ihnen nicht vorschreiben, ihre Mutter zu lieben: die Liebe läßt sich nicht gebieten, und hier hilft kein Zwang. Anhänglichkeit, Sorgfalt und schon die süße Gewohnheit werden in der Tochter Liebe zur Mutter erwecken, falls sich dieselbe nicht durch irgend eineHandlung ihren Haß zuzieht. Selbst der verständige Zwang, in welchem die Tochter nothwendig gehalten werden muß, wird diese Zuneigung nicht schwächen, sondern nur erhöhen, denn Abhängigkeit ist ein den Frauen natürlicher Zustand, und schon die Mädchen fühlen, daß sie zum Gehorchen geboren sind.
    Die Frauen haben also oder sollen wenigstens nur einen geringen Grad von Freiheit haben. Aus demselben Grunde geben sie sich aber den Freiheiten, welche man ihnen läßt, bis zum Uebermaße hin. Geneigt, Alles zu übertreiben, entwickeln die Mädchen bei ihren Spielen einen weit ungestümeren Eifer als selbst die Knaben. Das ist der zweite der angedeuteten Uebelstände. Dieses Ungestüm muß durchaus niedergehalten werden, denn in ihm wurzeln mehrere Fehler, die den Frauen eigenthümlich sind, wie z.B. der Eigensinn und die Eingenommenheit von sich selbst. So kann sich eine Frau heute für etwas begeistern, was sie morgen kaum beachtet. Eine solche Unbeständigkeit in ihren Neigungen ist eben so schädlich wie eine zu große Leidenschaftlichkeit in denselben, und beide entstehen aus derselben Quelle. Wir wollen ihnen durchaus nicht ihren Frohsinn, ihr Lachen, ihre Lebhaftigkeit und ihre ausgelassenen Spiele mißgönnen, nur

Weitere Kostenlose Bücher