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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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freiwillig oder aus Zwang vereinigen; ob die Gewalt, welche sie vereinigt, je ein bleibendes Recht bilden kann, durch welche diese vorhergehende Gewalt eine feste Verbindlichkeit auferlegt, sogar dann noch, wenn sie selbst von einer andern überwältigt wird, dergestalt, daß seit König Nimrods Herrschaft, der zuerst fremde Völker unter seine Botmäßigkeit gebracht haben soll, jede andere Herrschaft, welche diese vernichtet hat, für eine unrechtmäßige, für eine Usurpation gelten müsse, und daß es eigentlich nur so viele legitime Könige gebe, als sich Nachkommen Nimrods oder ihre Rechtsnachfolger finden, oder ob nach Erlöschen dieser ursprünglichen Gewalt diejenige, welche in ihre Stelle tritt, nun ihrerseits neue Verbindlichkeiten auferlegt und die alten aufhebt, so daß man nur so lange Gehorsam zu leisten verpflichtet sei, als die Machtwährt, welche dazu nöthigt, und daß man also denselben nicht mehr zu leisten brauche, sobald man sich im Stande fühle, das Joch abzuschütteln: ein Recht, welches, wie mir scheint, der Gewalt nicht gerade ein höheres Ansehen verleihen und nur in einem Spiele mit Worten bestehen würde.
    Wir werden untersuchen, ob sich nicht behaupten läßt, daß jede Krankheit von Gott kommt, und ob es folglich nicht ein Verbrechen ist, sich an den Arzt zu wenden.
    Wir werden ferner untersuchen, ob man in seinem Gewissen verpflichtet ist, einem Räuber, der uns auf der Landstraße die Börse abfordert, dieselbe auch dann zu geben, wenn es möglich gewesen wäre, sie ihm zu verbergen; denn die Pistole muß doch immerhin auch als eine Macht betrachtet werden.
    Wir werden untersuchen, ob das Wort Macht bei dieser Gelegenheit etwas Anderes bezeichnen will als eine legitime Macht, und ob diese Macht folglich denselben Gesetzen unterworfen ist, durch welche jene ins Dasein gerufen ist.
    Angenommen, daß man das Recht der Vernunft verwirft und das Recht der Natur oder die väterliche Autorität als Princip der Gesellschaft gelten läßt, so werden wir das Maß dieser Autorität prüfen, werden untersuchen, inwiefern sie in der Natur begründet ist und ob sie einen anderen Grund hat als den Nutzen des Kindes, seine Schwäche und die natürliche Liebe, welche der Vater für dasselbe fühlt; ob demnach nicht das Kind, sobald seine Schwäche gewichen ist und sein Verstand die gehörige Reife erlangt hat, allein der natürliche Beurtheiler dessen ist, was zu seiner Erhaltung dient, mithin sein eigener Herr und von jedem andern Menschen, sogar von seinem Vater, unabhängig wird; denn jedenfalls ist es sicherer, daß der Sohn sich selbst, als daß der Vater den Sohn liebt.
    Ob die Kinder nach dem Tode des Vaters die Verpflichtung haben, dem Aeltesten aus ihrer Mitte oder irgend einem Anderen zu gehorchen, der nicht die natürliche Liebe eines Vaters für sie empfindet; und ob es von Geschlecht zu Geschlecht stets ein einziges Oberhaupt geben soll, welchem die ganze Familie zu gehorchen verbunden ist. In letzterem Falle müßte man festzustellen suchen, wie dieseAutorität je getheilt werden konnte, und mit welchem Rechte es auf der ganzen Erde mehr als ein Oberhaupt gibt, da doch nur einem einzigen die Herrschaft über das Menschengeschlecht gebührte.
    Bei der Voraussetzung, daß sich die Bildung der Völker nach freier Wahl vollziehe, werden wir das Recht von der Thatsache trennen müssen; und da sich dann die Menschen ihren Brüdern, Oheimen oder Verwandten nicht in Folge einer Pflicht, sondern aus eigenem Antriebe unterwerfen, so werden wir die Frage aufwerfen müssen, ob sich diese Art von Genossenschaft nicht regelmäßig in eine freie und freiwillige Genossenschaft verwandelt.
    Indem wir nun zu dem Rechte der Sklaverei übergehen, werden wir untersuchen, ob sich ein Mensch an einen andern rechtmäßig veräußern darf, ohne Einschränkung, ohne Vorbehalt, ohne irgend eine gewisse Bedingung; das heißt, ob er auf seine Person, sein Leben, seine Vernunft, sein Ich, auf den sittlichen Werth seiner Handlungen verzichten und mit einem Worte schon vor seinem Tode seine Existenz aufgeben darf, der Natur zum Trotze, die ihm seine eigene Erhaltung als seine unmittelbare Pflicht auferlegt hat, und seinem Gewissen und seiner Vernunft zum Trotze, welche ihm sein Thun und Lassen vorschreiben.
    Findet sich dagegen in dem Abkommen, durch welches sich der Mensch in das Joch der Sklaverei begibt, irgend ein Vorbehalt, irgend eine Einschränkung, so haben wir zu erörtern, ob dieses Abkommen dadurch nicht

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