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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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keinen Vortheil brächten; sie geben ihm den Muth, gerecht zu sein, selbst im Kreise schlechter Menschen. Es ist eine Unwahrheit, daß sie ihn nicht frei gemacht haben, jedenfalls haben sie ihn gelehrt, sich selbst zu beherrschen.«
    »Sage demnach nicht: Was kümmert es mich, wo ich mich befinde. Es muß dich im Gegentheile gar viel kümmern, daß du gerade da bist, wo du alle deine Pflichtenzu erfüllen vermagst, und eine dieser Pflichten ist die Anhänglichkeit an den Ort deiner Geburt. Deine Mitbürger beschützten dich als Kind, weshalb du sie jetzt, wo du erwachsen bist, lieben mußt. Du sollst in ihrer Mitte oder wenigstens an einem Orte leben, von dem aus du ihnen nützlich sein kannst, so weit es dir deine Kräfte gestatten, und an dem sie dich, sobald sie deiner bedürfen, zu finden wissen. Es sind Verhältnisse denkbar, wo ein Mann seinen Mitbürgern nützlicher sein kann, wenn er außerhalb der Grenzen seines Vaterlandes weilt, als wenn er im Schooße desselben lebt. Alsdann muß er sich nur von seinem Eifer leiten lassen und sein Exil ohne Murren tragen; selbst dies Exil gehört zu seinen Pflichten. Du aber, guter Emil, welchem nichts diese schmerzlichen Opfer auferlegt, du, der du dir nicht die traurige Aufgabe gestellt hast, den Menschen die Wahrheit zu sagen, lebe inmitten deiner Mitbürger, pflege ihre Freundschaft in ruhigem Verkehre, sei ihr Wohlthäter, ihr Vorbild. Dein Beispiel wird ihnen mehr als all unsere Bücher nützen, und das Gute, welches sie dich verrichten sehen, wird sie mehr rühren, als all unsere hohlen Redensarten.«
    »Ich fordere dich zu diesem Zwecke nicht etwa auf, in den großen Städten zu leben. Im Gegentheile besteht eines der Beispiele, welches die Guten den Andern geben sollen, in dem patriarchalischen und ländlichen Leben, dem ursprünglichen Leben des Menschen, dem friedlichsten, natürlichsten und angenehmsten Leben für Jeden, dessen Herz noch unverdorben ist. Glücklich, mein junger Freund, das Land, wo man den Frieden nicht erst in einer Einöde zu suchen braucht. Allein wo ist dieses Land? Ein wohlthätiger Mensch kann seine Neigung inmitten der Städte, in denen er seinen Wohlthätigkeitssinn fast nur an Intriganten oder an Schelmen auszuüben vermag, schlecht befriedigen. Die Aufnahme, welche Tagediebe, die hier ihr Glück zu machen gedenken, in ihnen finden, trägt nur dazu bei, das Land vollends zu veröden, welches man gerade umgekehrt auf Kosten der Städte neu bevölkern sollte. Alle Menschen, welche sich aus der großen Gesellschaft zurückziehen, stiften eben dadurch Nutzen, daß sie sichaus ihr zurückziehen, da alle Laster der Menschen ihre Quelle in der zu dichten Bevölkerung finden. Sie stiften ferner dadurch Nutzen, daß sie in die einsamen Gegenden Leben, Gesittung und Liebe zu dem menschlichen Urzustände zurückbringen können. Ich werde gerührt bei dem Gedanken, wie viel Wohlthaten Emil und Sophie aus ihrer einfachen Zurückgezogenheit um sich her zu verbreiten im Stande sind, wie viel sie zur Belebung des Landes und zur Wiedererweckung des erloschenen Eifers der unglücklichen Landleute beitragen können. Ich sehe schon im Geiste, wie das Volk sich vervielfältigt, die Fruchtbarkeit der Felder zunimmt, das Land einen neuen Schmuck gewinnt, ich sehe, wie die Volksmenge und der Ueberfluß die Arbeiten in Feste verwandeln, höre, wie sich die Freudenrufe und Segnungen aus dem Kreise der ländlichen Spiele um das liebenswürdige Paar erheben, dem sie ihre neue Lebensfreudigkeit verdanken. Man betrachtet das goldene Zeitalter als ein Traumbild, und freilich wird es für Jeden, dessen Herz und Geschmack verdorben sind, ein solches bleiben. Es ist nicht einmal wahr, daß man es zurücksehnt, da dieses Sehnen stets eitel ist. Was müßte man also thun, um es wieder erstehen zu lassen? Nur Eins, aber leider etwas Unmögliches: man müßte es lieben.«
    »Schon scheint es um Sophiens Wohnung wieder aufzublühen; ihr braucht nur mit einander zu vollenden, was ihre würdigen Eltern begonnen haben. Sei jedoch auf deiner Hut, lieber Emil, daß dir dieses süße Leben nicht die mühevollen Pflichten verleide, wenn dir je solche auferlegt werden sollten! Sei eingedenk, daß die Römer vom Pfluge zum Consulat gelangten. Beruft dich der Fürst oder der Staat in den Dienst des Vaterlandes, dann verlasse Alles, um auf dem dir angewiesenen Posten die ehrenvolle Thätigkeit eines Bürgers auszuüben. Sollte dir diese Thätigkeit jedoch beschwerlich fallen, so gibt

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