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Emil

Emil

Titel: Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Burstein
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auf ihr Ziel los. Joel blickte sich um, ihm war, als hätte jemand ans Fenster geklopft. Wartet’s nur ab, morgen kriegt ihr schon die Waffe, sagte jemand, Ab morgen geht’s richtig los mit der Schinderei. Emil spürte, dass das Scheren seines Haupthaars nur der erste Akt war beim Aufschneiden seiner Seele durch die Armee, spürte die Schere tief in Geist und Seele eindringen und sie zerschnippeln. Joel sagte sich, dass er zweifellos auf jemanden schießen würde, auf einen Araber schießen würde, und nichts würde ihm geschehen, nicht einmal festnehmen würde man ihn, mit einem Augenzwinkern würde man ihn gehen lassen, und Emil zwinkerte plötzlich zweimal, und er wusste, dass er auch mit dem Schlagstock zuschlagen würde, und in Joels Hirn zerbarst ein Knochen.
    Er wollte laut um Hilfe schreien, nach seinem Vater rufen, der sich jetzt und sofort einen Weg durch diese Hitze und die Schar der erschöpften Rekruten bahnen, die Adoptionspapiere und Leas Sterbeurkunde (die er einmal zusammengefaltet in der Nachttischschublade des Vaters gesehen hatte) vorzeigen, den Irrtum aufklären sollte, denn ihn überhaupt einzuziehen, als einzigen und noch dazu adoptierten Sohn, sei unzulässig, und sie würden mit niedergeschlagenen Augen betreten den Irrtum eingestehen, und er würde im Regen nach Hause zurückkehren, ohne sich um die niederprasselnden Wassermassen zu scheren, Hauptsache, wieder zu Hause sein, zu Hause würde man ihn umsorgen, von allen Nöten befreit wirst du zu Hause im Bett liegen, und jemand wird wissen, was auf dein Brot und wie viel Zucker in deinen Tee gehört, Mama wird zu Hause auf dich warten und beim Anblick deiner Uniform wird sie in Lachen ausbrechen. Er würde die Uniform abstreifen und aus dem Fenster werfen, und wie an Tagen, an denen der Schulunterricht unerwartet ausfiel, würden sie alle drei zum Meer gehen, und unter dem Regen würde man ihnen eine feste, kühle Wassermelone in Scheiben schneiden, die allerletzte, die vom Spätsommer übrig war, und plötzlich spürte er einen Schlag im Nacken und jemand sagte: He du Zombie, was stehst du da rum?
Jalla
, los geht’s, und Emil, der noch immer den Schlag im Rücken spürte, trat zur Seite und ließ einen der Soldaten vom Sanitätsdienst vorbei, der einen Plastikbehälter voller klappernder Injektionsnadeln vor sich hin trug.
    Irgendwo im Raum brach jemand in Weinen aus. Ich kann nicht, ich kann nicht, schluchzte er, Das ist nichts fürs mich, ich will raus, ich wollte nicht einrücken. Ich habe Knieschmerzen unterschlagen, im Winter habe ich Schmerzen, es geht schon los, ich will vor eine ärztliche Kommission, in Watte gebettet hat man mich aufgezogen, ich kann nicht mehr, ich geh kaputt, ich bin am Ende. Was für ein Frust, entfuhr es jemand anderem, und es blieb unklar, ob das auf die Knie des Kameraden oder die allgemeine Situation gemünzt war. Was für ein Frust, was für ein Frust. Es war 10 Uhr 39 morgens am ersten Tag des Wehrdienstes. Durch das Fenster hörte Emil jemanden sagen: Die Rekrutenkolonne ist schon wieder steckengeblieben, keine Neuen nachschicken, und jemand sagte, Druck ablassen, lasst sie auf der anderen Seite heraus, und der Erste antworte, Geht nicht, die Prozedur ist schon in vollem Gange, willst du ihnen die Haare auf den Kopf zurückbefördern? Die Scheißkerle haben schon ihre Dienstnummer bekommen, nichts zu machen. Der weinende Soldat konnte sich nicht beruhigen. Zu einem, der offensichtlich sein Freund war und ab und an den anderen beruhigend zulächelte, sagte er: Ich bin für so was nicht gebaut. Ich bin zum ersten Mal von zu Hause weg, ich will in meinem Bett schlafen, ich bin fertig, ich bin fertig, ich bin nicht dafür gebaut, mir fehlt im rechten Knie der Knorpel, ich habe Probleme mit den Knien verschwiegen, wenn es regnet, sticht es mich wie verrückt, ich war vom Tag Null an in Wolle gebettet, ich bin noch nie weg gewesen, und jemand sagte zu Emil, Der meint, er ist schon fertig, ha? Wart mal ab, bis sie anfangen, ihn zu schinden, wart mal ab, bis es losgeht mit dem Wacheschieben die halbe Nacht durch, wart mal ab, Ausgangssperre am Schabbat. ›Nicht dafür gebaut‹, ha, man wird ihn schon aufbauen, deswegen sind wir ja hier, ›Knorpel‹, Gummiknorpel wird man ihm geben, dem Arschloch, Wolle will er? Stahlwolle wird er kriegen, Tankwolle, der Irre, das Arschloch. Weit weg, in der Küche in Tel Aviv, blickte Joel Lea fest in die Augen, und sie erwiderte seinen Blick unbeirrt über die auf dem

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