Emilia - Herzbeben
und sie ihm bringen. So verloren sie keine Zeit und machten den Einbrecher auch nicht auf sich aufmerksam. Die Kellertür hatte nur einen kleinen Haken als Griff, an dem man sie aufziehen konnte. Walt hatte nie ein Schloss eingebaut, weil er nie befürchtete, dass jemand dort hinuntergehen würde. Der Keller war feucht und kalt und voller Spinnen, die sich auf seinen alten Weinflaschen ausgebreitet hatten. Und es gab kein Licht dort unten. Das alles hatte er Mia erzählt, bevor er ihr verboten hatte den Keller zu betreten, was gar nicht nötig gewesen wäre. Sie hasste Spinnen und hätte ihn sowieso nie betreten. Aber jetzt musste es sein. Sie zog an dem Griff, doch die Tür bewegte sich nicht. Sie wackelte nicht einmal. Dann zog sie kräftiger, aber sie schien wie fest geschweißt. Nur der Griff quietschte und klackerte, wenn sie daranzog. Warum ging diese verfluchte Tür nicht auf? Klemmte sie? Sie zog jetzt noch stärker daran, woraufhin der Haken schließlich abriss und sie zurück stolpern ließ. Und dabei fiel sie jemandem direkt in die Arme.
7
Der Schrecken saß ihr immer noch in den Knochen. Entweder hatte sie Halluzinationen, seit sie hier war, oder etwas wirklich Merkwürdiges ging hier vor sich. Sie hatte so laut geschrien, dass sicherlich die ganze Nachbarschaft aus den Betten gefallen war, als Walt sie in der Dunkelheit aufgefangen hatte. Und natürlich war ihre Mutter sofort die Stufen hinunter gestürmt. Aber als sie ihnen von dem Einbrecher erzählt hatte, hatte sich eine Szene abgespielt, die sie immer noch nicht fassen konnte. Mia sah gedankenverloren aus dem Fenster, während sie die letzte Nacht Revue passieren ließ. Sie hatten ihr kein Wort geglaubt. Nicht, weil sie glaubten, dass sie log, sondern weil es Walts Ansicht nach schier unmöglich war, in dieses Haus einzubrechen. An jedem Fenster und an jeder Tür waren nach seinen Worten Alarmanlagen angebracht. Sein Haus war eine Festung, hatte er behauptet. Sie hatten ihr einreden wollen, dass sie sich die ganze Sache nur eingebildet hatte. Es musste ein Traum gewesen sein. Ein Hirngespinst. Nicht real. »In diesem Haus ist kein Fremder«, hatte ihre Mutter gesagt und sie wusste nicht, was das bedeuten sollte. War es dann ein Bekannter gewesen, der hier eingebrochen war? Denn, dass jemand letzte Nacht durchs Haus geschlichen war, stand fest. Und das ließ sie sich auch nicht ausreden. Außerdem beschlich sie das Gefühl, dass da unten im Keller etwas ganz Anderes versteckt war, als eine Waffe. Sie hatten einfach viel zu übertrieben darauf reagiert, dass sie den Keller hatte betreten wollen. Sie wusste selbst, dass Waffen nichts für Kinder waren, aber sie hatte sie ja nicht einmal selbst benutzen wollen. Das Ende vom Lied war, dass sie ihr strikt verboten die Kellertür je wieder anzufassen. Walt hatte angekündigt, dass er nun doch ein Schloss in die Tür einbauenwürde, was – wie sie zugeben musste – sinnvoll war. Denn jetzt hatten sie sie erst recht neugierig gemacht. Sie spürte deutlich, dass sie sie belogen und die Tatsache, dass sie ihr nicht abkaufen wollten, dass jemand vor ihrem Zimmer gestanden hatte, machte sie mehr als stutzig. Es kam ihr fast so vor, als wollten sie sie absichtlich als verrückt abstempeln. Ihre eigene Familie! Sie war so wütend, dass sie – sobald sie allein war – ihren Vater anrufen würde, um ihm die ganze Sache zu erzählen. Bei ihm war sie sich sicher, dass er ihr glauben würde. Und außerdem wusste sie, dass er sie niemals belog. Vielleicht konnte er ihr sagen, was hier verflucht noch mal vor sich ging. Sie war nicht verrückt. Und sie hatte auch keine Halluzinationen. Sie wusste, was sie gesehen hatte und sie wollte eine Erklärung dafür. Und zwar noch heute!
Walt fuhr Mia dieses Mal nicht zur Schule, denn Nadja stand ziemlich früh schon vor dem Haus, um sie abzuholen. Mia fand, dass sie es mit dem Nettsein ein wenig übertrieb und deshalb grüßte sie Nadja nicht so überschwänglich, wie sie Mia grüßte, als sie hinaus trat. Bevor sie jedoch die Tür schloss, ging sie noch einmal hinein und betrachtete den Türrahmen. Es war keine Alarmanlage zu sehen. Nirgends.
»Gut geschlafen?«, fragte Nadja fröhlich.
Mia nickte nur, als sie durch den Vorgarten ging. Sie drehte sich noch einmal um und betrachtete die Fenster von außen. Auch hier war keine Alarmanlage zu sehen. Vielleicht waren sie gut versteckt, dachte sie sich. Oder er hatte sie belogen.
Als sie gemeinsam zur Bushaltestelle gingen,
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