Emilia - Herzbeben
gewesen sein«, sagte die andere.
»Ach komm, hör auf! Das ist nur ein Gerücht.«
Mia drehte sich erneut zu Jan um, der ihren Blick nun resignierend erwiderte und seufzte. »P-Schüler«, sagte sie. »Das seid doch ihr!« Jan nickte und Lara senkte den Kopf. Was hatte das zu bedeuten? Sie hörte auch viele von dem Unwetter sprechen, das aufgezogen war und diese Gespräche waren geprägt von Angst und Aufruhr. Sie verstand die Welt nicht mehr. Es war doch nicht einmal ein richtiges Unwetter gewesen. Eins von der Sorte, die ihre Schule zertrümmert oder ihre Mutter aus der Stadt gejagt hatte.Warum hatte jeder, dem sie begegnete, Angst vor schlechtem Wetter? Auch Nadja hatte ziemlich panisch reagiert, als sie gesehen hatte, wie Wolken den Himmel zugezogen und Nebel die Straßen bedeckt hatte. Oder hatte sie in dem Moment schon den LKW gesehen? Während sie die Situation Revue passieren ließ, gingen zwei Polizisten an ihnen vorbei und unterhielten sich. Der eine sagte, dass der Unfall durch das Unwetter ausgelöst worden war. Mia drehte sich wieder zu Jan um. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie zu ihm. »Das bisschen Nebel? Der ging doch nicht mal bis zu den Knöcheln!«
»Das liegt an der Geschichte der Stadt«, erklärte Jan ihr. »Es gab hier einmal eine Reihe von Unwettern, von denen eins ganz besonders schlimm war. Es sind viele Menschen gestorben. Seit dem haben die Leute Angst und geraten ziemlich schnell in Panik, wenn auch nur ein Lüftchen weht.«
War also der LKW in den Bus gefahren, weil er in Panik geraten war? Mia sah sich die Leute an, die aufgescheucht über den Flur hetzten. War ihre Mutter deshalb so ängstlich, was Unwetter anging? Schließlich hatte sie ja lange hier gelebt. Sie hatte hier ihre Jugend verbracht. War ihr vielleicht bei einem solchen Unwetter damals etwas Schlimmes passiert?
»Die haben sogar einen Feiertag gegründet«, erzählte Jan weiter. »Um den Menschen zu gedenken und um die Dunkelheit zu vertreiben, die ein solches Unwetter mit sich bringt.«
Mia sah ihn interessiert an.
»Das Lichterfest«, sagte er.
»Und wann ist das?«
Die Antwort gab ihr Lara: »Am 16. August.«
Mia stutzte. An ihrem Geburtstag?? In dem Moment schwang die große Flügeltür auf und Mias Mutter stürmte herein. Ihr Gesicht war panisch. Mia lief ihr sofort entgegen. »Jetzt flipp nicht wieder aus«, sagte Mia, als Anna sie erleichtert in die Arme nahm und fest an sich drückte. »Es ist alles okay. Mir geht’s gut.«
»Oh Gott, Mia!« Anna ließ sie lange nicht los. Sie zitterte vor Angst.
»Schon gut, Mama. Alles okay«, versuchte sie sie zu beruhigen. »Ich hab nicht mal einen Kratzer. Nadja hat ziemlich gut auf michaufgepasst. Und außerdem hat mich jemand aus dem Bus gezogen.«
Anna löste sich jetzt von ihr und legte sich eine Hand auf den Mund. Ihr kamen die Tränen.
»Nichts passiert«, sagte Mia noch einmal beruhigend. Sie wusste, wie ängstlich ihre Mutter war und wie schlecht es ihr jedes Mal ging, wenn sie ihre Panikattacken bekam. In ihrem Blick lag so viel Furcht, dass es kaum zu ertragen war. Mia wandte sich kurz um und sah den Flur entlang. Jan und Lara waren jetzt weg. »Ich will noch sehen, wie es Nadja geht«, sagte Mia schnell zu ihrer Mutter. »Warte kurz, ich bin gleich da.« Mia lief rasch zu dem Raum zurück und sah jetzt, dass Jan und Lara bei ihr waren. Sie sprachen sehr leise über irgendetwas.
»Mach dir keine Vorwürfe. Es ist doch alles gut gegangen«, sagte Jan zu Nadja.
»Ich weiß nicht. Ich hätte nicht so panisch reagieren dürfen. Das hat es erst ausgelöst.«
»Quatsch«, machte Lara. »Das wäre auch passiert, wenn du keine Panik bekommen hättest. Es war gut, dass Jan den Bus angehalten hat und du mit Mia rausspringen wolltest. Das war richtig.«
Mias Herz schlug schneller. Was redeten sie da?
»Es ist doch niemandem etwas passiert. Du hast sie alle vor Verletzungen bewahrt. Das hast du gut gemacht, Nadja. Gute Leistung!«
Mia entfernte sich fassungslos von dem Raum. Jan hatte den Bus angehalten? Und Nadja hatte die Schüler vor Verletzungen bewahrt? Wie bitte?
»Es hätte durchaus sein können, dass das Unwetter von den …«, begann Jan, doch Nadja unterbrach ihn.
»Psst, nicht hier.«
Mia ging wie in Trance zu ihrer Mutter zurück. Sie verstand überhaupt nichts mehr. Und als ihre Mutter sie während der Fahrt auch noch nach dem Unfall ausfragte, hatte sie das Gefühl, dass ihr langsam aber sicher das Gehirn heiß lief.
»Ein LKW ist
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