Emilia - Herzbeben
auf, torkelte hinaus und stieg in sein Auto. Erst auf dem Weg zu Alva begann sie lauthals mit ihm zu streiten. Genauso wie letzte Nacht.
Die Straße, die zu Alvas Haus führte, war mit einer Blechlawine von Autos vollgestellt. Ramon vermutete, dass Alva all ihre übersinnlichen Teenager zusammengetrommelt hatte. Mia schien die Masse an Autos noch gar nicht aufzufallen und das war auch gut so. Es hätte sie nur nervös gemacht. Stattdessen stritt sie immer noch mit ihm über das Blutthema.
»Nur, weil ich die Tochter vom«, sie stockte und übersprang das Wort einfach, »macht mich das nicht zu einem Vampir!«
»Natürlich nicht!«, entgegnete er genervt. »Aber es ist offensichtlich, dass deinem Körper etwas fehlt. Er braucht etwas, um sich entwickeln zu können. Bei Schöpfungen des Teufels ist das nun mal Blut.«
»Ich bin nicht seine Schöpfung!«, schrie sie.
»In gewisser Hinsicht bist du das schon«, widersprach er. »Du bist aus ihm entstanden .«
Einen Moment lang war sie still und verschränkte schmollend ihre Arme vor der Brust. »Ich werde kein Blut trinken«, bekräftigte sie noch einmal. »Niemals!«
Ramon seufzte und hielt vor Alvas Haus an. »Warum glaubst du, dass du dadurch zum Vampir wirst? Du brauchst es doch nur für deine Verwandlung. Dadurch geht es vermutlich schneller und tut weniger weh.«
»Und woher willst du das wissen? Nur, weil es bei dir so war, heißt das nicht, dass es bei mir genauso laufen muss. Ich bin nicht du!« Auf einmal stutzte Mia, denn Nadja stand plötzlich vor dem Wagen. Hinter ihr kamen Emma und Jona aus dem Haus gelaufen. Mia schluckte. Bestimmt wussten sie schon über alles Bescheid. Wie sollte sie ihnen jetzt entgegen treten? Was dachten sie jetzt von ihr?
»Sei einfach du selbst«, sagte Ramon und stieg aus.
Mia zögerte und atmete tief durch. Sie sah Jona an und versuchte seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Was, wenn er sie jetzt nicht mehr mochte? Wenn er nicht mehr mit ihr redete? Schließlich war sie ja genau das, was sie alle bekämpften. Irgendetwas zwischen Teufel, Mensch und Vampir. Sie konnte nicht glauben, dass sie das gerade tatsächlich gedacht hatte. Dass dieses Gespräch mit Ramon letzte Nacht wirklich stattgefunden hatte. Und dass diese verrückte Geschichte, die Alva ihr – zur Hälfte – über den Teufel erzählt hatte, wirklich stimmen sollte. Als Jona, Nadja und Emma direkt vor ihrer Tür standen, öffnete sie sie schließlich und stieg seufzend aus. Überraschenderweise war sie jetzt fast so groß wie Nadja, was sie alle sichtlich verstörte. Doch nicht nur ihre Größe überraschte sie alle, sondern auch ihre Kleidung.
»Mia«, hauchte Nadja. »Was«, sie sah an ihr hinunter, »ist mit dir passiert?«
Mia strich sich verlegen über die Jacke, klemmte sich eine Haarsträhne hinters Ohr und murmelte mit gesenktem Blick: »Bin über Nacht ein bisschen gewachsen.«
»Coole Klamotten!«, sagte Emma bewundernd, strich über Mias Jacke und blickte sie fragend an.
»Meine passen mir nicht mehr. Die gehören meiner Ma«, klärte Mia sie verlegen auf.
»Sie braucht neue«, kam es von Ramon. Er saß auf der Motorhaube und wartete. »Wäre gut, wenn jemand mit ihr shoppen gehen könnte.« Dabei zwinkerte er Mia zu und grinste.
Nadja und Emma erklärten sich sofort mit heller Begeisterung dazu bereit. Anscheinend wunderte es sie überhaupt nicht, dass sie über Nacht einen solch unnatürlichen Wachstumsschub gehabt hatte. Und Jona schien es nur zu amüsieren. Mia sah ihn immer wieder an und jedes Mal erwiderte er ihren Blick mit einem erfreuten Lächeln oder einem amüsierten Grinsen. Keine Ablehnung, kein Rückzug, alles war wie immer. Mia atmete erleichtert auf.
»Lass uns erst mal reingehen«, sagte Nadja jetzt und hakte sich bei Mia ein, was eine neue, unbekannte und verwirrende Geste fürMia war. Ramon ging voraus und Jona und Emma liefen zu Mias Rechten.
Als sie eintraten und Jona Mia die Tür aufhielt, fragte er sie leise, wie es ihr ging. »Wir haben uns Sorgen gemacht«, sagte er.
Mia lächelte ihn glücklich an. »Es geht mir besser«, sagte sie ebenso leise. »Ich hatte nur …«, jetzt stockte sie und blieb erschrocken stehen. Alvas Haus war bis auf den letzten Winkel mit Menschen vollgestopft! Sie drängten sich im Flur, im Wohnzimmer und im Esszimmer und sogar auf der Treppe, die nach oben führte! Sie unterhielten sich leise und manche lachten gedämpft. Doch als die Tür zu schlug, verstummten sie, drehten sich um und
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