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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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aus.»
    «Das ist eine Gabe.»
    «In diesem Fall bestimmt. Wir haben also keine Ahnung, wann wir da sein werden.»
    «Ist schon in Ordnung», sagte Emily. «Gib einfach Bescheid, wenn sich irgendwas ändert.»
    «Das hab ich mir gedacht», sagte Arlene. «Essen wir trotzdem zu Abend, oder soll ich mir selbst was machen?»
    «Mal sehen, was passiert», erwiderte Emily. «Es besteht immer noch die Chance, dass sie es schaffen.»
    «Da bist du aber ziemlich optimistisch.»
    «Natürlich bin ich optimistisch. Ich will doch, dass sie herkommen.»
    Mit jeder Viertelstunde, zu der die Standuhr schlug, wurden die Chancen geringer. Doch als Margaret gegen halb fünf anrief und sagte, sie gingen gerade an Bord und hätten bestätigte Plätze in der Zwanzig-Uhr-fünfundvierzig-Maschine, war Emily trotz ihrer Enttäuschung zugleich erleichtert. Aber was sollte sie mit der ganzen Lasagne anfangen?
    «Ich stelle alles in meinen Gefrierschrank und esse es zu Mittag», sagte Arlene. «Macht mir nichts aus.»
    Das konnte Emily auch tun. Darum ging es nicht.
    «Um wie viel Uhr soll ich kommen?», fragte Arlene.
    «Ist mir egal. Wenn du Hunger hast.»
    «Ist es noch zu früh? Ich könnte allmählich was zwischen die Zähne gebrauchen.»
    «Ist schon in Ordnung», sagte Emily resignierend.
    Das Licht verblasste, Nacht erfüllte die kahlen Bäume und umhüllte das Haus. Krieg und Frieden wurde von den Nachrichten abgelöst, sie schaltete die Stereoanlage aus, und die Stille warf sie auf sich selbst zurück. Sie hätte froh sein sollen, dass sie es noch schafften, doch es war zu spät, ihre Hoffnungen für diesen Tag waren getrübt. Sie ließ das gute Porzellan im Esszimmer stehen und deckte den Tisch in der Frühstücksecke mit ihrem Alltagsgeschirr.
    «Richtig gemütlich», sagte Arlene, ein Versuch, sie aufzumuntern, den Emily durchgehen ließ.
    «Hoffentlich ist sie was geworden. Ich habe sie gar nicht probiert.»
    Die Lasagne schmeckte gut, doch Emily aß ohne Appetit. Als die Auflaufform abgekühlt war, füllte sie alles in zwei Tupperware-Behälter. Das Tiramisu von Prantl’s würde sie für einen anderen Tag aufheben.
    Die Maschine sollte erst um zehn landen, da lag sie normalerweise schon eine gute halbe Stunde im Bett. Wegen der Vorbereitungen war sie am Morgen früh aufgestanden und brauchte eine Tasse Kaffee, um wach zu bleiben. Bevor sie losfuhren, durfte sie nicht vergessen, auf die Toilette zu gehen.
    «Gute Idee», sagte Arlene.
    Zum Flughafen war es so weit, wie sie schon seit Jahren nicht mehr gefahren war, und auch wenn kaum Verkehr herrschte, so war es doch dunkel. Sie umfuhren die Innenstadt, am Mon-Kai entlang, und der Parkway führte sie durch eine enge Fahrrinne und eine breite Auffahrt hinauf in den fließenden Verkehr auf der Fort Pitt Bridge.
    «Pass auf», sagte Arlene, als ein Hummer bedrohlich hinter ihnen auftauchte.
    «Den hab ich gesehen», sagte Emily.
    Der Blick auf die Landspitze war reizvoll - das Hilton würde weihnachtlich erleuchtet sein, die Flüsse schwarz und glitzernd -, doch sie musste sich auf die Straße konzentrieren, und urplötzlich waren sie schon in dem hellen, gekachelten Tunnel, die Fahrspuren so schmal, dass sie Angst hatte, mit dem Hummer zusammenzustoßen, der sie rechts überholte. Als der Tunnel hinter ihnen lag, fand sie eine Lücke und zog auf die langsamere Spur hinüber, wo sie in gleichmäßiger Geschwindigkeit an den leerstehenden Bürokomplexen und Billigmöbelläden vorbeifuhr und die hoch aufragenden Quecksilberdampflaternen alles in einen dunstigen Kupferton tauchten, bis zum Autobahnkreuz der 1-79, hinter dem eine weltraummäßige Schwärze lag, die nur von schwebenden Rücklichtern unterbrochen wurde. Sie drosselte das Tempo und schaltete das Fernlicht ein, das den Seitenstreifen und einen Ausschnitt des vorbeigleitenden Berghangs beleuchtete. Hier draußen gab es Hirsche. Selbst wenn sie sähe, wie einer davon in ihrem Scheinwerferlicht auftauchte, würde sie nicht imstande sein, rechtzeitig zum Stehen zu kommen. Da es nichts brachte, sich länger mit diesem Gedanken aufzuhalten, konzentrierte sie sich auf Margaret und die Kinder, den einzigen Grund, warum sie hier war.
    Margaret und Justin hatten die Woche in Chautauqua mit ihr verbracht, doch Sarah hatte sie seit letztem Thanksgiving nicht mehr gesehen. Sie machte irgendwas mit Computern für eine Warenmaklerfirma direkt in der Loop und teilte sich mit einer Freundin vom College eine Wohnung, genau wie Emily damals

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