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Emily, allein

Emily, allein

Titel: Emily, allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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sie in die graue Welt Pittsburghs zurück, die Emily jetzt noch trister und lebloser vorkam als zuvor. Dunkle Wolken hingen direkt über den Baumwipfeln. Die Luft war kräftig, und es roch nach Schlamm und dem Laub vom letzten Herbst. Später würde es regnen - nein, es fing bereits an, die ersten Tropfen sprenkelten den Gehweg und die Fensterscheiben der Autos.
    Sie waren so früh gekommen, dass sie in dem langen Atoll, das die Statue Edward Bigelows einrahmte, noch einen Parkplatz gefunden hatten. Emily betätigte die Fernbedienung für die Zentralverriegelung, die Lichter blinkten zur Bestätigung auf, und sie eilten hinüber und stiegen im selben Augenblick ein, als der Wolkenbruch einsetzte und die Regentropfen aufs Dach trommelten und weiß von der Motorhaube aufspritzten. Emily schaltete die Scheibenwischer und das Gebläse ein.
    «Da haben wir wohl Glück gehabt», sagte Arlene keuchend.
    Emily war versucht, Arlenes Raucherei anzusprechen, fand aber, das wäre kleinlich von ihr, und pflichtete Arlene bei. Es kam so selten vor, dass sie das behaupten konnten. Und wenn man bedachte, dass sie Arlene den Penny nicht gegönnt hatte. Dem Schicksal auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, brauchten sie alles Glück, das sie bekommen konnten.
    «Weißt du», sagte Emily, «dass mir die Hälfte zusteht, wenn dein Wunsch in Erfüllung geht?»
    «Läuft das so?»
    «Auf dem Kapitalmarkt schon.»
    «Die bekommst du sowieso.»
    «Warum?»
    «Weil ich mir gewünscht habe, dass wir beide nächstes Jahr im Frühling wiederkommen.»
    Warum war sie so überrascht? Weil sie nicht den gleichen Gedanken gehabt hatte? Oder weil sie nicht glaubte, dass die Chancen dafür besonders gut standen?
    «Das ist ein schöner Wunsch», sagte Emily. «Hoffentlich geht er in Erfüllung.»
     
    Das Problem mit dem Karfreitag
     
    Wochenlang hatte Emily versucht, von Kenneth die näheren Einzelheiten seines Besuchs zu erfahren. Kamen Ella und Sam immer noch mit? Wann würden sie ankommen? Bitte, sie müsse es unbedingt wissen, sobald sie ihre Flüge gebucht hätten, damit sie entsprechend planen könne. Betty legte eine Extraschicht ein, und Emily musste noch Lebensmittel einkaufen. Ihre wahre Sorge war, dass Ella mit ihrer Freundin Suzanne vielleicht andere Pläne machen könnte, während Kenneth zaudernd hin und her überlegte. Er lehnte es ab, sich festzulegen, und behauptete, der Termin hänge davon ab, ob Lisa am Karfreitag freibekomme. So verrückt es auch klingen mochte, an den staatlichen Schulen in Cambridge war das kein Feiertag.
    Sie wusste, dass er ihr nicht die Wahrheit sagte. Wie Henry wollte er sie nicht enttäuschen und verschwieg ihr unangenehme Nachrichten, bis sie nicht mehr eingreifen konnte. Aus dem Versprechen ihres Besuchs hatte Emily so lange Kraft geschöpft, dass sie jede Abweichung von ihrer Idealvorstellung als Kränkung empfand. Vielleicht war sie in ihrer Enttäuschung ungerecht, doch hinter seinen Ausflüchten spürte sie Lisas Hand. Es würde ihr ähnlichsehen, alles schleifen zu lassen und dann im letzten Moment abzusagen.
    Bei ihrem letzten Weihnachtsbesuch hatte Lisa eine unaufrichtige Hilfsbereitschaft an den Tag gelegt und gut gelaunt mit den Kindern den Tisch abgeräumt und das Geschirr gespült, statt sitzen zu bleiben und sich beim Kaffee zu unterhalten. Sie hatte sich zu ihnen an den Kamin gesetzt, Scrabble und Parcheesi gespielt, doch mit Emily kaum ein Wort gewechselt, zumindest keines von Bedeutung. Sie waren noch nie besonders gut miteinander ausgekommen. Es war nicht so, dass sie ein Herz und eine Seele gewesen wären und sich plötzlich zerstritten hätten. Im Lauf der Jahre hatte sich ihre gegenseitige Abneigung verfestigt, ihre Beziehung starr und unfertig. Emily erwartete nicht, dass sich daran noch etwas änderte. Sie besaß nicht die Großherzigkeit, Lisa zu verzeihen, obwohl sie wusste, dass es eine große Charakterschwäche war. Eigentlich hielt sie Lisa vor zu glauben, sie habe sich durchgesetzt, weil sie Emily überleben würde.
    Das Beklagenswerte daran war, dass Henrys Mutter unglaublich nett gewesen war. Lillian hatte Emily so viel beigebracht, dass sie ihr immer dankbar sein würde. Aus Kersey stammend, allein in einer furchterregenden Großstadt, war Emily lernbegierig gewesen. Als frischgebackene Schwiegermutter hatte sie für Lisa dasselbe tun wollen, doch von Anfang an hatte sich Lisa verhalten, als wüsste sie alles besser - als sei Emily in ihrem Beharren, diese bewährten

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