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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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Vergnügen war, und sie machte ohne Bedenken den Vorschlag, sogleich wieder heimzureiten. Unerwarteterweise weckte dieser Vorschlag Linton aus seiner Lethargie und versetzte ihn in einen seltsamen Zustand von Aufregung. Er blickte ängstlich nach Wuthering Heights und bat, sie solle doch wenigstens noch eine halbe Stunde bleiben.
    »Aber ich glaube«, meinte Cathy, »du würdest es behaglicher zu Hause haben, als wenn du hier sitzt. Und heute kann ich dich, wie ich sehe, nicht mit meinen Geschichten und Liedern und mit meinem Geplauder unterhalten. Du bist im letzten halben Jahr gescheiter geworden als ich, und meine Zerstreuungen sind nicht mehr nach deinem Geschmack. Wenn ich dir die Zeit vertreiben könnte, so würde ich gern bleiben.«
    »Bleib und ruh dich aus«, entgegnete er. »Und, Catherine, du musst nicht denken und sagen, dass ich sehr krank bin. Es ist die drückende Luft und die Hitze, die mich so matt machen; ausserdem bin ich, bevor du kamst, für meine Verhältnisse zuviel gegangen. Sage Onkel, dass es mir leidlich gutgeht, ja?«
    »Ich werde ihm sagen, dass du das sagst, Linton. Ich könnte nicht behaupten, dass es wirklich so ist«, bemerkte meine junge Herrin und wunderte sich, dass er hartnäckig auf etwas bestand, was eine offensichtliche Unwahrheit war.
    »Und sei nächsten Donnerstag wieder hier«, führ er, ihrem nachdenklichen Blick ausweichend, fort. »Und sage ihm meinen Dank dafür, dass er dir erlaubt hat, zu kommen, meinen besten Dank, Catherine. Und — und, falls du meinen Vater treffen solltest und er dich nach mir fragt, so bringe ihn nicht auf den Gedanken, ich sei besonders schweigsam und langweilig gewesen, und mach kein so trauriges und niedergeschlagenes Gesicht wie gerade jetzt; er wird böse werden.«
    »Ich fürchte mich nicht vor seinem Zorn«, rief Cathy, die meinte, dieser werde sich gegen sie richten.
    »Aber ich«, sagte ihr Vetter schaudernd, »bitte, bringe ihn nicht gegen mich auf, Catherine, denn er ist sehr hart.«
    »Ist er streng zu Ihnen, Master Heathcliff?« fragte ich. »Ist er der Nachsicht müde geworden und von duldendem zu tätlichem Hass übergegangen?« — Linton sah mich an, antwortete aber nicht. Cathy blieb weitere zehn Minuten an seiner Seite sitzen; während dieser Zeit sank sein Kopf schläfrig vornüber, und nichts anderes war von ihm zu vernehmen als unterdrücktes Stöhnen vor Erschöpfung oder vor Schmerz. Also suchte sie sich eine Zerstreuung und fing an, Heidelbeeren zu pflücken, und teilte den Ertrag ihres Sammelns mit mir. Sie bot ihm nichts davon an, denn sie sah, dass jede weitere Annäherung ihn nur belästigen und ärgern werde.
    »Die halbe Stunde ist jetzt vorüber, Ellen«, flüsterte sie mir schließlich ins Ohr. »Ich sehe nicht ein, warum wir noch bleiben sollen. Er schläft, und Papa wird warten, dass wir zurückkommen.«
    »Nun, wir können ihn nicht allein lassen, während er schläft«, antwortete ich; »warten Sie, bis er erwacht, und haben Sie Geduld. Sie konnten es ja gar nicht erwarten, dass wir uns auf den Weg hierher machten; aber Ihre Sehnsucht, den armen Linton zu sehen, hat sich schnell verflüchtigt.«
    »Warum hat er mich sehen wollen?« entgegnete Catherine. »Ich habe ihn früher mit seinen übelsten Launen lieber gehabt als in seiner gegenwärtigen merkwürdigen Stimmung. Es ist geradeso, als wäre diese Zusammenkunft eine Aufgabe, die er gezwungenermaßen erfüllt hätte, aus Angst, sein Vater könnte ihn schelten. Aber ich habe nicht die Absicht herzukommen, um Mr. Heathcliff ein Vergnügen zu machen, einerlei, was für Gründe er haben mag, Linton diese Bussübung vorzuschreiben. Und obgleich ich froh bin, dass es ihm gesundheitlich besser geht, so tut er mir doch leid, dass er soviel weniger vergnügt und mir gegenüber soviel weniger liebevoll ist.«
    »Also meinen Sie, dass es ihm gesundheitlich besser geht?« sagte ich.
    »Ja«, antwortete sie, »weil er sonst immer soviel Aufheben von seinen Leiden gemacht hat, weisst du. Es geht ihm nicht so gut, wie ich es Papa erzählen soll, aber es geht ihm offenbar besser.«
    »Dann sind wir verschiedener Meinung, Miss Cathy«, bemerkte ich. »Ich meine, es geht ihm viel schlechter.«
    Hier fuhr Linton plötzlich verwirrt und erschreckt aus dem Schlaf hoch und fragte, ob jemand seinen Namen gerufen habe.
    »Nein«, sagte Catherine, »vielleicht im Traum. Ich kann nicht begreifen, wie du es zuwege bringst, morgens im Freien zu schlafen.«
    »Ich glaubte meinen Vater

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