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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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rührte ihn zu Tränen; er weinte fassungslos und küsste ihre Hände, die ihn stützten. Und doch brachte er nicht den Mut auf, zu sprechen. Ich sann darüber nach, was für ein Geheimnis das sein möge, und beschloss, dass Catherine nach meinem Willen weder ihm noch anderen eine Wohltat erweisen solle. Da vernahm ich ein Rascheln im Heidekraut und sah aufblickend Mr. Heathcliff dicht vor uns die Anhöhe herabsteigen. Er warf den jungen Leuten keinen Blick zu, obwohl er Lintons Schluchzen gehört haben musste, und begrüsste mich in dem fast herzlichen Ton, den er keinem anderen gegenüber anschlug und an dessen Aufrichtigkeit ich doch zweifelte.
    »Es ist eine Seltenheit, dass man dich so nahe bei meinem Haus sieht, Nelly. Wie geht es euch in Thrushcross Grange? Lass hören? Man sagt«, fügte er leiser hinzu, »dass Edgar Linton im Sterben liege, aber vielleicht machen sie seine Krankheit schlimmer, als sie ist?«
    »Nein, mein Herr stirbt«, erwiderte ich. »Es ist nur zu wahr. Für uns alle wird es hart sein, aber für ihn eine Erlösung.«
    »Wie lange denkst du, dass es noch dauern wird?« fragte er.
    »Ich weiss es nicht«, war meine Antwort.
    »Nämlich«, führ er fort und blickte zu den beiden hinüber, die sich vor seinen Augen umschlungen hielten — Linton sah aus, als wäre es ihm nicht möglich, sich zu rühren oder seinen Kopf zu heben, und Catherine konnte sich seinetwegen nicht bewegen —, »nämlich der Bursche dort scheint mir zuvorkommen zu wollen. Ich wäre seinem Onkel dankbar, wenn er sich beeilen und vor ihm sterben wollte. Hallo! Führt sich der Junge schon lange so auf? Dabei habe ich ihm wegen seines Greinens so manche Lektion erteilt. Ist er für gewöhnlich nett und lebhaft mit Miss Linton?«
    »Lebhaft? Nein, er ist sehr unglücklich gewesen«, antwortete ich. »Wenn man ihn sieht, so meint man, er gehöre ins Bett und in ärztliche Behandlung, statt mit seinem Liebchen in den Bergen umherzustreifen.«
    »In ein oder zwei Tagen ist es soweit«, murmelte Heathcliff. »Aber zuerst einmal: steh auf, Linton, steh auf!« rief er. »Kriech nicht auf dem Boden herum, hörst du? Augenblicklich stehst du auf!«
    Linton war wieder, durch einen Anfall hilfloser Furcht völlig erschöpft, der Länge nach hingesunken, vermutlich weil sein Vater ihm einen Blick zugeworfen hatte; nichts anderes konnte ihn derart niederwerfen. Er machte mehrere Versuche zu gehorchen, aber seine geringe Kraft war bereits so erschöpft, dass er stöhnend zurücksank. Mr. Heathcliff ging hin und richtete ihn so weit auf, dass er sich gegen einen Torfstoß lehnen konnte.
    »Jetzt werde ich böse«, sagte er mit verhaltener Wildheit, »und wenn du diesen erbärmlichen Zug in dir nicht beherrschen kannst… Zum Teufel, steh sofort auf!«
    »Ja, Vater«, keuchte er, »nur fass mich nicht an, sonst werde ich ohnmächtig. Ich habe es gemacht, wie du es gewollt hast, bestimmt. Catherine kann dir erzählen, dass ich dass ich — vergnügt war. Oh, bleib bei mir, Catherine, gib mir deine Hand!«
    »Nimm meine«, sagte sein Vater, »und steh auf! So — sie soll dir ihren Arm reichen —, so ist es recht, blicke sie an! — Sie werden glauben, Miss Linton, ich sei der Teufel in Person, dass ich solches Entsetzen errege. Seien Sie so freundlich und begleiten Sie ihn nach Hause, ja? Er bebt, wenn ich ihn anfasse.«
    »Lieber Linton«, flüsterte Catherine, »ich kann nicht nach Wuthering Heights kommen — Papa hat es mir verboten. — Er wird dir nichts tun; warum hast du solche Angst?«
    »Ich kann nie wieder in das Haus zurückgehen«, antwortete er, »ich darf nicht wieder hin ohne dich!«
    »Halt!« schrie sein Vater. »Wir wollen ihre kindlichen Gefühle berücksichtigen. Nelly, begleite ihn hinein, und ich werde deinen Rat betreffs des Arztes unverzüglich befolgen.«
    »Daran werden Sie gut tun«, entgegnete ich; »aber ich muss bei meiner Herrin bleiben. Ihren Sohn zu bedienen, ist nicht meines Amtes.«
    »Du bist sehr hartnäckig«, sagte Heathcliff, »ich kenne das; aber du wirst mich dazu zwingen, das Kind zu kneifen, damit es schreit und dein Mitleid weckt. Also komm, du Held! Bist du bereit, in meiner Begleitung zurückzukehren?«
    Er trat wieder auf ihn zu und tat so, als wolle er das zerbrechliche Geschöpf fassen; aber Linton schreckte zurück, klammerte sich an seine Kusine und flehte sie mit so rasender Eindringlichkeit an, sie möge ihn begleiten, dass eine Weigerung nicht möglich war. Obwohl ich nicht

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