Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)
ziemlich gleichgültig, was sie einander antaten, um so mehr, als ich fühlte, dass, wie der Auftritt auch enden mochte, wir alle auf wer weiss wie lange Zeit auseinandergerissen werden würden. Nun, wenn ich Heathcliff nicht als Freund behalten kann, wenn Edgar kleinlich und eifersüchtig sein will, dann werde ich ihre Herzen brechen, indem mein eigenes bricht. Die schnellste Art, ein Ende zu machen, wird sein, mich zum Äussersten zu bringen. Aber das darf nur der letzte verzweifelte Versuch sein. Ich würde Linton nicht damit überraschen. Er war immer verständig genug, mich nicht herauszufordern; du musst ihm die Gefahr darlegen und ihn an meine leidenschaftliche Gemütsart erinnern, die, wenn sie sich entzündet, zum Wahnsinn führt. Ich wollte, du sähest etwas weniger gleichgültig aus und wärest etwas besorgter um mich.«
Die Unerschütterlichkeit, mit der ich ihre Anweisungen hinnahm, war zweifellos recht ärgerlich; denn sie wurden mit vollkommener Aufrichtigkeit vorgebracht; aber ich glaubte, ein Mensch, der seine Leidenschaftsausbrüche im voraus berechnen konnte, würde es mit einiger Willensanstrengung zuwege bringen, sich leidlich zu beherrschen. Auch wollte ich ihrem Mann keinen ›Schreck einjagen‹ und seine Sorgen nicht noch vermehren, nur weil es ihr so gefiel. Darum sagte ich nichts, als ich den Herm traf, der aufs Wohnzimmer zuging, doch nahm ich mir die Freiheit, umzukehren und zu horchen, ob sie ihren Streit wiederaufnähmen.
»Bleib, wo du bist, Catherine«, sagte er, ohne Ärger in der Stimme, aber voll schmerzlicher Mutlosigkeit. »Ich werde nicht bleiben. Ich bin weder gekommen, um zu streiten, noch um mich zu versöhnen; ich wünsche nur zu erfahren, ob du nach den Ereignissen dieses Abends beabsichtigst, den vertrauten Umgang mit…«
»Um’s Himmels willen«, unterbrach die gnädige Frau und stampfte mit dem Fuß auf, »um’s Himmels willen, höre auf damit! Dein kaltes Blut ist keiner Fieberglut fähig; in deinen Adern fließt Eiswasser, in meinen kocht es, und der Anblick solcher Kälte macht mich rasend.«
»Wenn du mich loswerden willst, beantworte meine Frage«, beharrte Mr. Linton. »Du musst sie beantworten, und deine Heftigkeit schreckt mich nicht. Ich weiss, dass du so ruhig und gelassen sein kannst wie nur einer, wenn es dir passt. Willst du jetzt Heathcliff aufgeben, oder willst du mich aufgeben? Es ist unmöglich für dich, gleichzeitig mit mir und mit ihm gut Freund zu sein, und ich verlange unbedingt von dir zu hören, welchen von uns du wählst.«
»Ich verlange, allein gelassen zu werden!« rief Catherine wütend. »Ich fordere es! Siehst du nicht, dass ich kaum imstande bin zu stehen? Edgar, du — lass mich in Ruhe!«
Sie nahm die Klingel und schüttelte sie, bis sie mit einem scharfen Ton zersprang; ich trat gemächlich ein. Ihr sinnloses, bösartiges Wüten hätte genügt, das Gemüt eines Heiligen auf die Probe zu stellen. Da lag sie nun, schlug ihren Kopf auf die Armlehne des Sofas und knirschte mit den Zähnen, so dass man meinen konnte, sie müssten zersplittern.
Mr. Linton stand und sah sie in plötzlicher Reue und Angst an. Er befahl mir, etwas Wasser zu holen. Sie bekam keine Luft mehr zum Sprechen. Ich brachte ein Glas voll, und als sie nicht trinken wollte, spritzte ich es über ihr Gesicht. Nach einigen Sekunden streckte sie sich steif aus, verdrehte die Augen, während ihre Wangen bleich und bläulich wurden und eine leichenhafte Färbung annahmen. Linton sah erschrocken aus.
»Das ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, flüsterte ich. Ich wollte nicht, dass er nachgab, obwohl ich innerlich ebenfalls erschrocken war.
»Sie hat Blut auf den Lippen«, sagte er schaudernd.
»Das tut nichts«, antwortete ich scharf. Und ich erzählte ihm, wie sie, bevor er hereinkam, beschlossen hatte, einen Tobsuchtsanfall vorzutäuschen. Unvorsichtigerweise erstattete ich meinen Bericht laut, und sie hörte mich; denn plötzlich sprang sie auf, ihr Haar hing über ihre Schultern herab, ihre Augen funkelten, und ihre Hals- und Armmuskeln traten unnatürlich hervor. Ich machte mich zum mindesten auf gebrochene Knochen gefasst; aber sie stierte nur einen Augenblick lang um sich und stürzte dann aus dem Zimmer. Der Herr wies mich an, ihr zu folgen, und ich tat es bis zu ihrer Zimmertür. Sie ließ mich nicht hinein, sondern schloss vor mir ab.
Als sie sich am nächsten Morgen nicht anschickte, zum Frühstück herunterzukommen, fragte ich, ob ich es ihr
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