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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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Leben gegolten hätte, er hätte diesen Gefühlsausbruch nicht unterdrücken können; Schmerz, mit Demütigung gepaart, überwältigte ihn vollkommen. Er beugte sich auf die Lehne des Stuhles und bedeckte sein Gesicht.
    »Du lieber Himmel! In alten Zeiten hättest du dir damit die Ritterschaft erworben!« rief Mrs. Linton aus. »Wir sind besiegt! Wir sind besiegt! Heathcliff wird ebensowenig einen Finger gegen dich erheben, wie ein König seine Armee gegen einen Zug von Mäusen in Marsch setzen wird. Fasse Mut, es wird dir nichts geschehen! Du bist kein Lamm, sondern ein Hasenfuss.«
    »Ich wünsche dir viel Freude an dem milchblütigen Feigling, Cathy!« sagte ihr Freund. »Meine Glückwünsche zu deinem Geschmack! Und dieses hündische, zitternde Wesen hast du mir vorgezogen! Einen Faustschlag ist er nicht wert, aber ich würde ihm mit der grössten Befriedigung einen Fußtritt versetzen. Weint er, oder gedenkt er vor Angst in Ohnmacht zu fallen?«
    Heathcliff näherte sich und versetzte dem Stuhl, auf dem Linton saß, einen Stoß. Er hätte lieber Abstand wahren sollen: mein Herr sprang schnell in die Höhe und versetzte ihm einen Schlag gegen den Hals, der einen schmächtigeren Mann gefällt hätte. Es verschlug Heathcliff eine Minute lang den Atem, und während er nach Luft rang, ging Mr. Linton zur hinteren Tür in den Hof hinaus und von dort zum vorderen Eingang.
    »So, nun ist Schluss mit deinen Besuchen!« rief Catherine. »Mach jetzt, dass du wegkommst; er wird mit einem Paar Pistolen und einem halben Dutzend Helfern zurückkommen. Wenn er unser Gespräch belauscht hat, wird er dir natürlich nie verzeihen. Du hast mir einen schlechten Streich gespielt, Heathcliff! Aber geh, eile dich! Ich möchte lieber Edgar als dich in Schwierigkeiten sehen.«
    »Glaubst du, ich könnte weggehen nach diesem Schlag, der mir in der Gurgel brennt?« donnerte er. »Beim Teufel, nein! Ich werde seine Rippen zerquetschen wie eine wurmstichige Haselnuss, bevor ich die Schwelle überschreite! Wenn ich ihn jetzt nicht zu Boden strecke, so werde ich ihn eines Tages erschlagen; also wenn du Wert auf sein Leben legst, so lass mich an ihn heran!«
    »Er kommt nicht«, warf ich ein, eine kleine Lüge erfindend. »Da sind der Kutscher und die beiden Gärtner. Sie werden doch sicherlich nicht darauf warten, von ihnen auf die Straße geworfen zu werden. Jeder hat einen Knüttel, und der Herr wird wahrscheinlich vom Wohnzimmerfenster aus beobachten, ob sie seine Befehle ausführen.«
    Die Gärtner und der Kutscher waren da, aber Linton mit ihnen. Sie hatten bereits den Hof betreten. Nach sekundenlanger Überlegung entschloss sich Heathcliff, einen Kampf gegen drei Leute zu vermeiden; er ergriff den Feuerhaken, zerschmetterte das Schloss der Innentür und machte sich aus dem Staube, als sie gerade hereinstapften.
    Mrs. Linton, die sehr erregt war, befahl mir, sie hinaufzugeleiten. Sie wusste nichts von meinem Anteil an der Verwirrung, und mir lag viel daran, dass dies so blieb.
    »Ich bin fast wahnsinnig, Nelly!« rief sie aus und warf sich auf das Sofa. »Tausend Schmiedehämmer klopfen in meinem Kopf. Sag Isabella, sie soll mir aus dem Wege bleiben; sie hat diesen Aufruhr verschuldet. Wenn sie oder sonst jemand mich jetzt noch reizt, so werde ich wild. Und, Nelly, sage Edgar, wenn du ihn heute abend noch siehst, dass ich in Gefahr bin, ernstlich krank zu werden. Ich hoffe sogar, dass es dahin kommt. Er hat mich so furchtbar erschreckt und betrübt, dass ich ihm gern einen Schreck einjagen möchte. Überdies, wenn er mich sieht, wird er eine Reihe von Beschimpfungen und Klagen abhaspeln; dann werde ich ihm sicherlich die Antwort nicht schuldig bleiben, und Gott weiss, wo das enden wird. Willst du mir den Gefallen tun, meine gute Nelly? Es ist dir doch klar, dass mir in dieser Sache keinerlei Vorwurf zu machen ist. Was fiel ihm ein, den Lauscher zu spielen? Heathcliffs Sprache war ausfallend, nachdem du hinausgegangen warst; aber ich hätte ihn bald von Isabella ablenken können, und das übrige war unwichtig. Nun ist alles verdorben, weil dieser Narr Verlangen danach trug, Schlechtes über sich selbst zu hören, ein Verlangen, von dem manche Menschen wie von einem bösen Geist befallen werden. Wenn Edgar unsere Unterhaltung nicht aufgeschnappt hätte, hätte er nichts versäumt. Wirklich, als er mich in diesem unvernünftig abfälligen Ton ausschalt, nachdem ich Heathcliff um seinetwillen geschmäht hatte, bis ich heiser war, war es mir

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