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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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unabwendbar, dass ich es tue, selbst wenn ich mich eine Minute zuvor der hundert Gründe erinnerte, die mich davon zurückhalten sollten; irgendein Teufel zwingt mich, meine eigenen Pläne zu durchkreuzen, indem ich ihn töte; solange man kann, kämpft man gegen diese Versuchung an; es ist umsonst, wenn die Zeit gekommen ist, können alle Engel im Himmel Heathcliff nicht retten.«
    Ich betrachtete die Waffe voller Neugier; ein hässlicher Gedanke durchzuckte mich: wie mächtig wäre ich im Besitz eines solchen Werkzeuges! Ich nahm es ihm aus der Hand und berührte die Klinge. Erstaunt nahm er den Ausdruck wahr, den mein Gesicht einen kurzen Augenblick lang zeigte, er spiegelte nicht Schrecken, sondern heftiges Verlangen wider. Eifersüchtig entriss er mir die Pistole, klappte das Messer zu und verbarg sie wieder in ihrem Versteck.
    »Es ist mir gleichgültig, ob Sie es ihm erzählen«, sagte er. »Warnen Sie ihn, und bewachen Sie ihn. Sie wissen, wie wir miteinander stehen, und ich sehe: die Gefahr, die ihm droht, schreckt Sie nicht.«
    »Was hat Ihnen Heathcliff getan?« fragte ich, »welches Unrecht hat er Ihnen zugefügt, das diesen entsetzlichen Hass rechtfertigte? Wäre es nicht klüger, wenn Sie ihn bäten, das Haus zu verlassen?«
    »Nein!« donnerte Earnshaw; »wenn er es versuchte, mich zu verlassen, wäre er ein toter Mann, und wenn Sie ihn dazu überreden, dann sind Sie eine Mörderin! Soll ich alles verlieren, ohne Aussicht, es zurückzugewinnen? Soll Hareton ein Bettler werden? O ewige Verdammnis! Ich will es wiederhaben, und ich will sein Gold dazu haben und dann sein Blut, und die Hölle mag seine Seele haben. Mit diesem Gast wird sie noch zehnmal schwärzer werden, als sie je gewesen ist.«
    Du hast mich mit den Gewohnheiten Deines früheren Herrn bekannt gemacht, Ellen. Er ist offenkundig am Rande des Wahnsinns, jedenfalls war er es gestern abend. Mich schauderte, in seiner Nähe zu sein; der ungehobelte und mürrische Knecht erschien mir angenehm dagegen. Als er jetzt seinen eintönigen Marsch wiederaufnahm, drückte ich die Klinke hinunter und entschlüpfte in die Küche. Joseph beugte sich über das Feuer, schaute in einen großen Kessel, der darüber hing, und dicht daneben auf der Bank stand eine hölzerne Schüssel mit Hafermehl. Als der Inhalt des Kessels zu kochen anfing, wendete er sich, um seine Hand in die Schüssel zu tauchen. Ich vermutete, dass dies wahrscheinlich eine Vorbereitung für unser Abendessen war, und mein Hunger trieb mich dazu, es geniessbar zu machen. Mit dem heftigen Ruf: »Ich werde den Haferbrei kochen!« entfernte ich die Schüssel aus Josephs Reichweite und legte Hut und Reitkleid ab. Dann fuhr ich fort: »Mr. Earnshaw hat mir gesagt, ich solle mich selbst bedienen; das werde ich tun. Ich will nicht bei euch die große Dame spielen, denn dann müsste ich verhungern.«
    »Großer Gott«, murmelte er, setzte sich hin und strich mit den Händen von den Knien bis zu den Knöcheln über seine gestreiften Strümpfe hinab. »Wenn hier neue Ordnung soll wer’n, grad wo ich mich an zwee Herrn gewöhnt hab, wenn ich ’ne Frau über mir ham soll, denn is’s Zeit, zu ziehn. Ich hab nie nich an den Tag wolln denken, wo ich fort muss von die alte Stelle, aber jetzt is’s wohl soweit.«
    Ich schenkte diesen Klagen keine Beachtung, sondern machte mich munter an die Arbeit und seufzte in der Erinnerung an eine Zeit, in der das alles Spaß gemacht hätte, zwang mich aber, diesen Gedanken wieder zu verscheuchen. Es quälte mich, an vergangenes Glück zu denken, und je grösser die Gefahr war, die Erinnerung daran heraufzubeschwören, desto schneller rührte ich mit dem Löffel und desto hastiger folgte eine Handvoll Mehl der anderen ins Wasser. Joseph betrachtete meine Kochkunst mit wachsender Entrüstung.
    »Da haben wir’s!« rief er. »Hareton, du wirst heut abend keinen Brei nich essen, das sin ja nix wie Klumpen, so groß wie ’ne Faust. Da, schon wieder! Wenn ich Sie wär, tät ich gleich die Schüssel un alles reinschmeissen! Da, nun rührn Se schnell noch mal das Zeug um, dann wer’n Se damit fertig sein. Bums, bums! ’n Glück, dass der Boden nich rausgestoßen is!«
    Ich gebe zu, dass es eine recht klumpige Speise war, die in die Näpfe gegossen wurde; vier davon waren gefüllt, und aus der Milchkammer war ein Fünfliterkrug frische Milch geholt worden. Hareton ergriff ihn und fing an, so gierig daraus zu trinken, dass die Milch aus seinem breiten Mund wieder

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