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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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Heathcliff ein Mensch? Wenn ja, ist er wahnsinnig? Und wenn nicht, ist er ein Teufel? Ich werde Dir keine Gründe für diese Frage nennen, aber ich beschwöre Dich, wenn Du es kannst, mir zu erklären, wen ich geheiratet habe; das heisst, wenn Du mich besuchst, und Du musst recht bald kommen, Ellen. Schreibe nicht, sondern komm und bring mir etwas von Edgar.
    Nun sollst Du hören, wie ich in meiner neuen Heimat denn so werde ich Wuthering Heights wohl nennen müssen — empfangen worden bin. Um mir die Zeit zu vertreiben, verweile ich bei solchen Dingen wie dem Mangel an äusseren Bequemlichkeiten; meine Gedanken beschäftigen sich nur in Augenblicken, wenn ich sie vermisse, mit ihnen. Ich würde vor Freude lachen und tanzen, wenn ich merkte, dass ihr Nichtvorhandensein mein ganzes Elend ausmachte und alles andere ein wüster Traum war.
    Die Sonne ging hinter dem Gehöft unter, als wir ins Moor einbogen, daraus schloss ich, dass es sechs Uhr war. Mein Begleiter machte eine halbe Stunde halt, um den Park, die Gärten und das Haus selbst, so gut er konnte, zu besichtigen, daher war es schon dunkel, als wir im gepflasterten Hofraum des Gutshofes vom Pferde stiegen und Dein alter Arbeitsgefährte Joseph herauskam, um uns beim Schein einer Kerze zu empfangen. Er tat es mit einer Höflichkeit, die ganz seinem Ruf entsprach. Das erste, was er vollbrachte, war, dass er seine Fackel in die Höhe meines Gesichtes hob, mich boshaft anschielte, seine Unterlippe vorschob und sich abwandte. Dann nahm er die beiden Pferde, führte sie in die Ställe und erschien von neuem, um die äussere Pforte zu verschließen, als ob wir in einem altertümlichen Schlosse wohnten.
    Heathcliff blieb stehen und sprach mit ihm, und ich betrat die Küche, ein dunkles, schmutziges Loch; ich bin überzeugt, Du würdest sie nicht wiedererkennen, so sehr ist sie verändert, seit Du darin gewirtschaftet hast. Neben dem Feuer stand ein verwahrlostes Kind von kräftigem Gliederbau, mit schmutzigen Kleidern; um die Augen und den Mund ähnelte es Catherine.
    ›Das ist Edgars richtiger Neffe‹, überlegte ich, ›also in gewisser Weise auch meiner; ich muss ihm die Hand geben, und — ja — ich muss ihn küssen. Es ist richtig, wenn man von Anfang an ein gutes Einvernehmen herstellt.‹ Ich näherte mich ihm, versuchte seine dicke Faust zu fassen und sagte: »Wie geht es dir, mein Lieber?«
    Er antwortete in einem Kauderwelsch, das ich nicht verstand. »Wollen wir Freunde werden, Hareton?« war mein nächster Versuch, eine Unterhaltung in Gang zu bringen.
    Ein Fluch und die Drohung, Throttler auf mich zu hetzen, wenn ich mich nicht ›wegscherte‹, belohnte meine Beharrlichkeit.
    »He, Throttler, Bursche«, flüsterte das kleine Scheusal und störte eine halbwüchsige Bulldogge von ihrem Lager in einer Ecke auf. »Na, willste wohl?« fragte er gebieterisch.
    Angst um mein Leben zwang mich, nachzugeben; ich ging hinaus, um zu warten, bis die anderen hereinkamen. Mr. Heathcliff war nirgends zu sehen, und Joseph, dem ich in die Ställe folgte und den ich bat, mich hineinzubegleiten, starrte mich an und murmelte etwas vor sich hin, dann rümpfte er die Nase und sagte: »Papperlapapp! Hat je’n Christenmensch so was gehört? So’n affiges Reden! Ich kann nix verstehn.«
    »Ich sage, du sollst mit mir ins Haus gehen!« schrie ich, weil ich ihn für taub hielt, äusserst abgestoßen von seiner Grobheit. »Nee, ich nich. Ich hab andres zu tun«, antwortete er und fuhr in seiner Beschäftigung fort, und indem er seine Kinnbacken bewegte, prüfte er meine Kleidung und mein Gesicht mit überlegener Verachtung. (Mein Kleid war viel zu schön, mein Gesichtsausdruck aber sicherlich so traurig, wie er es nur wünschen konnte.)
    Ich ging rings um den Hof herum und gelangte durch ein Pförtchen zu einer anderen Tür. Ich fasste Mut und klopfte an, in der Hoffnung, es werde sich ein höflicherer Bediensteter zeigen. Nach kurzer Pause öffnete ein großer, hagerer Mann ohne Halstuch, der auch sonst ungemein verwahrlost aussah, die Tür; sein Gesicht verbarg sich unter dichtem, zottigem Haar, das auf seine Schultern herabhing, und auch seine Augen glichen auf gespenstige Art denen Catherines, wenn auch all ihre Schönheit dahin war.
    »Was haben Sie hier zu suchen?« fragte er finster. »Wer sind Sie?«
    »Ich hiess Isabella Linton«, erwiderte ich. »Sie kennen mich von früher. Vor kurzem habe ich Mr. Heathcliff geheiratet, und er hat mich hergebracht, ich vermute, mit

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