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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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zurückfloss. Ich verwehrte ihm das und verlangte, er solle seine Milch aus einem Becher trinken, und versicherte, ich würde ein derart verunreinigtes Getränk nicht zu mir nehmen. Der alte Grobian tat gewaltig beleidigt über meine Empfindlichkeit und versicherte wiederholt, dass das Kind geradeso gut wäre wie ich, dazu kerngesund, und wollte wissen, wie ich dazu käme, so ›affig‹ zu sein. Unterdessen trank der ungezogene Junge ruhig weiter und schielte mich von unten her herausfordernd an, während er in den Krug sabberte.
    »Ich werde meine Mahlzeit in einem anderen Zimmer einnehmen«, sagte ich. »Habt ihr keinen Raum, den ihr Wohnzimmer nennt?«
    »Wohnzimmer!« gab er grinsend zurück, »Wohnzimmer. Nee, wir ham kein Wohnzimmer nich. Wenn Ihnen unsre Gesellschaft nich passt, gehn Se zum Herrn, un wenn der Ihnen nich passt, komm Se zu uns.«
    »Dann werde ich hinaufgehen. Zeig mir ein Zimmer.«
    Ich stellte meine Schüssel auf ein Tablett und ging selbst, um mir noch etwas Milch zu holen. Mit viel Gebrumm erhob sich der Alte und ging mir die Treppe hinauf voran; wir gingen bis zu den Bodenkammern, und er öffnete hin und wieder eine Tür, um in die Zimmer zu blicken, an denen wir vorbeikamen.
    »Hier is’n Zimmer«, sagte er endlich und schlug eine schief in den Angeln hängende Lattentür zurück. »Das is gut genug, um’n bisschen Haferbrei drin zu essen. Da is’n Packen Korn in der Ecke, da, einigermaßen sauber; wenn Se Angst ham, Ihr scheenes Seidnes zu verdrecken, legen Se Ihr Taschentuch drüber.«
    Das ›Zimmer‹ war eine Art Rumpelkammer, die stark nach Malz und Korn roch; es war in Säcken ringsherum aufgestapelt, die einen weiten leeren Raum in der Mitte frei ließen. »Aber Mann!« rief ich aus und sah ihn ärgerlich an, »das ist kein Raum, wo man schlafen kann. Ich möchte mein Schlafzimmer sehen.«
    »Schlafzimmer«, wiederholte er spöttisch. »Sie solln alle Schlafzimmer sehn, die’s hier gibt. Da is meins.«
    Er deutete in die zweite Bodenkammer, die sich von der ersten nur dadurch unterschied, dass ihre Wände noch nackter waren und dass an einem Ende ein großes, niedriges Bett ohne Vorhänge mit einer indigofarbenen Bettdecke stand.
    »Was soll ich mit deinem anfangen?« fragte ich scharf. »Soll ich vielleicht glauben, dass Mr. Heathcliff unterm Dach wohnt, wie?«
    »Oh, Sie wollen in das vom Herrn Heathcliff?« rief er, als ob er eine neue Entdeckung gemacht hätte. »Konnten Se denn das nich gleich sagen? Dann hätt ich Ihnen ohne die viele Mühe sagen können, dass Sie das nich sehn können; er hält’s stets verschlossen, un keiner darf rein, nur er selbst.«
    »Das ist ein reizendes Haus, Joseph«, ich konnte diese Bemerkung nicht unterdrücken, »und nette Leute; ich glaube, an dem Tage, an dem ich mein Geschick mit dem ihren verband, war ich ganz von Sinnen. Aber das gehört nicht hierher. — Es muss doch noch andere Zimmer geben. Um’s Himmels willen, mach schnell und lass mich irgendwo zur Ruhe kommen!« Er antwortete nicht auf diese Beschwörung, stapfte nur mürrisch die Holztreppe hinunter und blieb vor einem Zimmer stehen, und eben die Tatsache, dass er nicht eintrat, und die Güte der Einrichtung ließen mich vermuten, dass es das beste Zimmer sei. Ein guter Teppich lag da, dessen Muster aber vom Staub unkenntlich geworden war; über dem Kamin hing die Tapete in Fetzen herab; weiter stand da eine schöne Eichenbettstelle mit dichten roten Vorhängen aus wertvollem Stoff und in moderner Raffung, die augenscheinlich schlecht behandelt worden waren; denn der in Bogen aufgehängte Faltenkranz war von seinen Ringen heruntergerissen, und die eiserne Stange, die sie trug, war an einer Seite so herabgebogen, dass der Vorhang auf dem Boden schleifte. Auch die Stühle waren beschädigt, viele von ihnen sogar schwer, und tiefe Kerben entstellten die Täfelung der Wände. Ich bemühte mich, soviel Entschlusskraft aufzubringen, um einzutreten und davon Besitz zu ergreifen, als mein närrischer Führer verkündete: »Das hier gehört dem Herrn.« Mein Essen war unterdessen kalt geworden, der Appetit war mir vergangen, und meine Geduld war am Ende. Ich bestand darauf, dass mir augenblicklich ein Zufluchtsort und die Möglichkeit, mich auszuruhen, verschafft werde.
    »Wo, zum Teufel?« begann der fromme Alte. »Der Herr segne uns, der Herr verzeihe uns. Wo, zum Teufel, wolln Se hin, Sie grässliches, lästiges Ding? Sie ham alles gesehn, nur nich Haretons kleines Zimmer. Hier

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