Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)
Ihrer Erlaubnis.«
»Also ist er zurückgekommen?« fragte der Einsiedler und blickte wie ein hungriger Wolf drein.
»Ja, wir sind gerade angekommen«, sagte ich, »aber er hat mich an der Küchentür stehenlassen, und als ich hineingehen wollte, spielte Ihr kleiner Junge dort Schildwache und hat mich mit Hilfe einer Bulldogge weggejagt.«
»Gut, dass der verfluchte Schurke Wort gehalten hat«, knurrte mein zukünftiger Wirt und spähte in die Finsternis hinter mir, in der Erwartung, Heathcliff zu entdecken, und dann verfiel er in ein Selbstgespräch, das in Verwünschungen bestand und in Drohungen, was er getan haben würde, wenn der ›Teufel‹ ihn betrogen hätte.
Ich bereute, hier angeklopft zu haben, und hatte nur einen Wunsch: hinauszuschlüpfen, bevor er mit Fluchen fertig war; aber ehe ich meine Absicht ausführen konnte, hatte er mich hineingenötigt und die Tür geschlossen und verriegelt. Ein großes Feuer war die einzige Beleuchtung in dem gewaltigen Raum, dessen Fußboden eine gleichmäßig graue Färbung angenommen hatte; auch die einstmals glänzenden Zinnschüsseln, die, als ich noch ein Kind war, meine Blicke auf sich gelenkt hatten, wiesen die gleiche durch Rost und Staub verursachte Färbung auf. Ich fragte, ob ich die Magd rufen und in ein Schlafzimmer geführt werden könnte. Mr. Earnshaw würdigte mich keiner Antwort. Er ging auf und ab, die Hände in den Taschen, und schien meine Anwesenheit ganz vergessen zu haben, und seine Versunkenheit war augenscheinlich so tief und sein ganzes Aussehen so menschenfeindlich, dass ich ihn nicht wieder stören wollte.
Du wirst nicht überrascht sein, Ellen, dass meine Stimmung unsagbar trostlos war, als ich, schlimmer als allein, an jenem ungastlichen Herd saß und daran dachte, dass vier Meilen entfernt meine wunderschöne Heimat lag, mit den einzigen Menschen, die ich auf Erden liebte. Es könnte uns genausogut der Ozean trennen statt dieser vier Meilen: ich kann nicht hinüber! Ich fragte mich selbst, wohin ich mich wenden sollte, um Trost zu finden, und — aber erzähle das Edgar oder Catherine nicht — stärker als jede andere Sorge erwuchs in mir überwältigend die Verzweiflung darüber, dass niemand hier war, der mein Verbündeter gegen Heathcliff sein wollte oder könnte. Ich hatte fast freudig in Wuthering Heights Schutz gesucht, weil ich hier davor bewahrt wurde, mit ihm allein zu leben; aber er kannte die Menschen, zu denen wir kamen, und fürchtete keine Einmischung von ihnen.
Ich saß und sann während einer schmerzlich langen Zeit; die Uhr schlug acht und schlug neun, und immer noch ging mein Gefährte hin und her, den Kopf auf die Brust gesenkt, sein Schweigen nur durch ein gelegentliches Stöhnen oder einen schmerzlichen Ausruf unterbrechend. Ich horchte, ob ich nicht die Stimme einer Frau im Haus vernähme, und inzwischen gab ich mich bitterer Reue und trüben Vorahnungen hin, bis ich schließlich Seufzen und Weinen nicht mehr unterdrücken konnte. Ich war mir nicht bewusst, dass sich mein Kummer laut äusserte, bis Earnshaw in seinem gemessenen Auf und Ab vor mir innehielt und mir einen Blick neu erwachten Erstaunens zuwarf. Als ich sah, dass er mich wieder bemerkte, rief ich: »Ich bin müde von der Reise, und ich möchte zu Bett gehen! Wo ist das Stubenmädchen? Führen Sie mich zu ihr, da sie nicht zu mir kommen will!«
»Wir haben keins«, antwortete er, »sie müssen sich selbst bedienen.«
»Wo soll ich denn schlafen?« schluchzte ich; ich war nicht mehr fähig, meine Würde zu wahren, so sehr hatten mich Elend und Müdigkeit niedergedrückt.
»Joseph wird Ihnen Heathcliffs Zimmer zeigen«, sagte er, »öffnen Sie die Tür, er ist dort drinnen.«
Ich wollte gehorchen, doch hielt er mich plötzlich fest und fügte in ganz seltsamem Tone hinzu: »Seien Sie so gut und drehen Sie den Schlüssel herum und schieben Sie den Riegel vor — vergessen Sie es nicht!«
»Gut«, sagte ich. »Aber warum, Mr. Earnshaw?« Mich entzückte die Vorstellung gar nicht, dass ich mich mit Heathcliff absichtlich einschließen sollte.
»Sehen Sie her«, erwiderte er und zog aus seiner Rocktasche eine merkwürdig konstruierte Pistole, an deren Lauf ein zweischneidiges Messer angebracht war. »Dies ist eine große Versuchung für einen verzweifelten Menschen, nicht wahr? Ich kann nicht anders, ich muss jeden Abend damit hinaufgehen und nachsehen, ob seine Tür verschlossen ist. Wenn ich sie einmal offen finde, ist’s um ihn geschehen! Es ist
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