Emily und der Playboy-Prinz
hatte.
„Sehr gut, Miss Balfour“, brachte Tomás sich in Erinnerung. „Melden Sie sich bitte unten an der Rezeption, wenn Sie fertig sind? Jemand von unserem Personal wird Ihre Nachricht dort entgegennehmen und weiterleiten.“
Als Tomás gegangen war, zog Emily die Schuhe aus und genoss das Gefühl, mit den Füßen in dem dicken cremefarbenen Teppichboden zu versinken, während sie zum Frisiertisch hinüberging. Geistesabwesend strich sie mit dem Finger über das auf Hochglanz polierte Holz und hob den Blick zum goldgerahmten Spiegel darüber.
Zwei übergroße Augen schauten zurück, in denen sie nur eine gewaltige Erschöpfung sah. Sie war so schrecklich müde … und dies alles war vielleicht nur ein Traum. Wahrscheinlich wachte sie gleich auf und fand sich in dem schäbigen, kleinen Zimmer wieder, das ihr neues Heim war.
Dann erinnerte sie sich daran, dass Luis Cordoba sie zum Dinner eingeladen hatte und auf sie wartete.
Emily riss sich zusammen, löste das Band am unteren Ende ihres Zopfs und begann, sich auszuziehen. Kurz darauf stach sie sich an der Sicherheitsnadel, mit der sie den schwarzen Rock aus einer Altkleiderkammer in der Taille zusammenhielt, und stieß einen spitzen Schrei aus. Sie warf das hässliche Kleidungsstück aufs Bett, wo es neben der Seidenüberdecke und den Laken aus ägyptischer Baumwolle noch deplatzierter wirkte als an ihr.
Rasch schlüpfte sie in den weichen Hotelbademantel, als wollte sie ihren viel zu dünnen Körper vor sich selbst verbergen. Kein Wunder, dass Luis sich nicht für sie interessierte, wenn sie nur noch aus Haut und Knochen bestand!
Ruf mich an, wenn du erwachsen bist.
Wenn Emily es sich recht überlegte, war sie im letzten Jahr nicht wirklich erwachsen geworden, sondern einfach nur alt .
Die Wanne war inzwischen voll, und mit einem wohligen Seufzer ließ Emily sich in ein Schaumbad sinken, das nach wilden Rosen duftete. Wieder fühlte sie sich von dem schmerzhaft vertrauten Heimweh überwältigt, das an jedem Tag in den letzten Monaten ihr treuester Begleiter gewesen war.
Erst jetzt und hier konnte sie ermessen, wie privilegiert sie gewesen war, in Balfour Manorjeden Tag einen ähnlichen Luxus genießen zu dürfen. Dort jedoch hatte sie ihn als selbstverständlich angesehen und hingenommen.
Wer weiß, hätte sie am Tag nach der Beerdigung ihrer Mutter bereits gewusst, wie ihr neues Leben weit weg von Balfour Manor aussehen würde, wäre sie vielleicht weniger entschlossen gewesen, alle Brücken hinter sich abzubrechen.
Es war ja auch kein lange zuvor gefasster, gut durchdachter Plan gewesen. Sie hatte einfach Zeit und Abstand gebraucht, um mit dem, was geschehen war, klarzukommen. In ihrer Naivität hatte sie geglaubt, dass London mit einem der größten und berühmtesten Balletttheater der geeignete Platz dafür sein könnte. Sich selbst sah sie in einem sonnigen Apartment, in einer Ecke Londons, wo es nicht unweigerlich in Extremsport ausartete, wenn sie ihr kleines, feines Domizil verließ, um eine Tüte Milch zu kaufen.
Mit anderen Worten, sie hatte davon geträumt, sich erwachsen und souverän zu fühlen.
Wie unbedarft sie doch gewesen war! Durch den Reichtum der Balfours von allen Herausforderungen und Stolpersteinen des Lebens abgeschottet, wusste sie nicht einmal, was eine Tüte Milch überhaupt kostete.
Dank ihrer bisherigen Beziehungen bekam sie problemlos drei Termine zum Vortanzen bei verschiedenen Ballet-Companys.Doch die Monate der Trauer um ihre geliebte Mutter und die Aufregung und Verunsicherung innerhalb des Familienclans hatten ihr wohl mehr zugesetzt als gedacht. Emily präsentierte sich nicht wie gewohnt in Höchstform und erhielt nur Absagen.
Nach diesem unerwarteten Schlag war sie völlig am Boden zerstört. Alles, was ihr im Leben etwas bedeutete, hatte sie verloren. Die sonnige glorreiche Zukunft, die sie sich immer erträumt hatte, war ins Reich der Fantasie entflogen. Jetzt ging es nur noch ums Überleben.
Als sie das Jobangebot vom Pink Flamingo in einem Anzeigenblatt entdeckte, fokussierte sie sich allein auf das Wort Tanzen . Erst nach Betreten des Nachtclubs und eingehüllt in einen Schwall der von Nikotin und Alkohol geschwängerten Luft, wurde Emily bewusst, um was für eine Art Tanz es sich handelte.
Entsetzt und voller Panik versuchte sie dem Mann mit der öligen Frisur, der sie in ein schmuddeliges Hinterzimmer-Büro entführte, zu erklären, dass alles nur ein großer Irrtum sei. Doch der erkannte mit einem
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