Emma - endlich vom Glück umarmt
Die reiche Witwe neigte grüßend den Kopf, dann wandte sie ihre stechenden Augen Amy zu. „Und Ms. Amy.“
Immer noch ein wenig bockig, knickste Amy knapp. „Madam.“
„Kommen Sie, Kind, setzen Sie sich neben mich. Ich möchte Sie besser kennenlernen.“
Steif lächelnd folgte Amy der Aufforderung, während Mr. Kennilworth mit Emma hinter den beiden Platz nahm. Emma hoffte nur, Amy würde ihre Zunge im Zaum halten, selbst wenn sie an dem Mann nicht interessiert war, denn sie durften Mrs. Kennilworth nicht verärgern, zumal sie zu den einflussreicheren Gastgeberinnen Londons gehörte.
Emma schaute im Saal umher. Inzwischen hatten sich fast alle Logen gefüllt. Meistens kam man her, um zu sehen und gesehen zu werden, weniger wegen der Musik. Die Herren fanden sich außerdem wegen der Schauspielerinnen und Sängerinnen ein. Man sprach zwar nicht darüber, aber jeder wusste Bescheid. So wie sie selbst ja auch über Ms. Wilson Bescheid gewusst hatte.
In ebendiesem Moment klang ein ungedämpftes Lachen auf, und Emma entdeckte Harriette Wilson, die in einer überfüllten Loge Hof hielt. Die Kurtisane thronte inmitten einer Gruppe der bedeutendsten Gentlemen Londons. An ihrer Seite saß Charles Hawthorne.
Plötzlich fühlte sich Emmas Kehle wie zugeschnürt an.
In diesem Moment wandte er den Kopf und sah ihren Blick. Emma spürte, wie sie bis zu den Haarwurzeln errötete. Jäh riss sie den Kopf herum und richtete eine beiläufige Bemerkung an Mr. Kennilworth, der erfreut die Unterhaltung aufnahm. Gezwungen lächelnd widmete sie sich ihm, entschlossen, sich den Abend durch seine Anwesenheit nicht verderben zu lassen. Schließlich war es nicht verwunderlich, ihn unter den Herren zu finden, die die Kurtisane umschwirrten.
Endlich erloschen zu Emmas Erleichterung die Gaslampen, und das Stück begann. Sie zwang sich, dem Bühnengeschehen zu folgen, anstatt dem Drang nachzugeben, immer wieder zu Ms. Wilsons Loge hinüberzuschauen. Was sie eigentlich hatte genießen wollen, da sie Musik wirklich liebte, wurde Emma zur Qual.
Zum Kuckuck mit dem Mann!
Nach einer wahren Ewigkeit erklang endlich die Glocke zur Pause.
Amy, die in der Menge neugierig nach Bekannten zu suchen begann, riss plötzlich die Augen auf und rief: „Gott, ist das nicht …“
Hastig fiel Emma ihr ins Wort. „Ach, Amy, war das nicht wunderbar? Wie glücklich wir uns schätzen können, dass Mr. Kennilworth uns einlud.“ Und als Amy immer noch gaffte, stieß sie sie unauffällig mit dem Ellenbogen an. „Nicht wahr?“
Die Jüngere sah ihre Schwester an. Immer noch glühten ihre Augen vor Ärger, weil sie hatte mitkommen müssen, doch honigsüß hauchte sie: „Ja, wirklich, Mr. Kennilworth. Wenn ich denke, dass wir den heutigen Abend wohl hätten daheim verbringen müssen …“ Dabei schlug sie schwärmerisch die Augen zu ihm auf.
Als Amy derart aufreizend übertrieb, konnte Emma sich kaum eines Tadels enthalten. Sie war froh, dass der junge Mann mit einem Lächeln reagierte, als nähme er jedes Wort für bare Münze.
„Darf ich Sie hinausbegleiten, Ms. Amy? Gewiss möchten Sie eine Erfrischung“, fragte er. Seine Miene zeigte Emma deutlich, dass ihre Schwester ihn betört hatte. War Amy auch nicht verliebt in ihn, so wäre er doch ein guter Ehemann. Er betete sie offensichtlich an. Sie könnte eine wesentlich schlechtere Partie machen.
Inzwischen war Amy aufgestanden und legte ihre Hand zimperlich auf Mr. Kennilworth’ Arm. Während sie insgeheim um die Erfüllung ihrer Hoffnungen betete, sah Emma dem sich entfernenden Paar nach.
„Ms. Stockton, setzen Sie sich zu mir.“ Mrs. Kennilworth’ Aufforderung klang eher wie ein Befehl.
Zwar wunderte Emma sich, wie sie zu der Ehre kam, freute sich aber, als sie sich neben der Dame niederließ, dass auf diese Weise Amy und ihr Verehrer nach der Pause nebeneinandersitzen müssten. Die Witwe schien Ehen stiften zu können.
„Ich will ganz offen sein, Ms. Stockton.“ Mrs. Kennilworth sprach ohne Umschweife und fast ein wenig missbilligend.
Emma wurde es unbehaglich. Ihrer Erfahrung nach hieß „ganz offen“, dass es Komplikationen gab. Aber war das verwunderlich? Welche Mutter würde wollen, dass ihr Sohn in die abgewirtschaftete Stockton-Sippe einheiratete?
„Ich bitte darum, Madam.“
„Gut. Ich habe Sie beobachtet und halte Sie für eine vernünftige junge Dame. Es wäre mir lieber gewesen, wenn Stephen Ihnen seine Neigung geschenkt hätte. Aber leider nein.“
Emma überlief es
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